Dass »nachtgebet« von Fitzerald Kusz hier zu lesen ist, findet sich in einem Vorbild und in einem Anlass begründet. Beides soll hier genannt sein. Der Anlass besteht in der Veröffentlichung von Hans-Werner Kubes »Flügel« in Folge 224 der »Gedichte mit Tradition«. Als Reaktion hierauf schickte Kusz mir nicht nur lobende Worte über ebenjenes Poem, sondern auch ein eigenes, ebenfalls mit dem gleichen intensiven Bezugsrahmen, nämlich jenem der prägenden Kindheitserfahrung.
Das Gedicht ist dabei nicht neu, doch dass es wieder hervorgesucht wurde, das liegt eben an der Publikation von Kubes »Flügel« in dieser Reihe. Eine Resonanz, wie sie gerade aus der Perspektive der »Gedichte mit Tradition« hocherfreulich ist, denn ihr Grundgedanke besteht ja darin, dass ein vielfältiges Beziehungsnetzwerk die Lyrik – mal bewusst, mal unbewusst – durchzieht.
Das direkte Vorbild, der klare Bezugspunkt findet sich, wie das lange Zitat in Kusz’ »nachtgebet« unschwer erkennen lässt, in Paul Gerhardts »Nun ruhen alle Wälder«, genauer in dessen besonders weit verbreiteten achten Strophe.
Abschließend in diesem Erläuterungskasten steht das Original von Gerhardt zu lesen. Und hier geht’s zur Folge 224 der »Gedichte mit Tradition«, zu »Flügel« von Hans-Werner Kube, das stimmungsmäßig freilich deutlich anders gelagert ist als »nachtgebet« von Kusz, wenngleich beide Nachbilder von einem nostalgischen Hauch sanft getragen werden: https://dasgedichtblog.de/gedichte-mit-tradition-folge-224-fluegel-von-hans-werner-kube/2022/03/04/
Paul Gerhardt
Nun ruhen alle Wälder
Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt und Felder,
es schläft die ganze Welt;
ihr aber, meine Sinnen,
auf, auf, ihr sollt beginnen,
was eurem Schöpfer wohlgefällt.
Wo bist du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
die Nacht, des Tages Feind.
Fahr hin; ein andre Sonne,
mein Jesus, meine Wonne,
gar hell in meinem Herzen scheint.
Der Tag ist nun vergangen,
die güldnen Sternlein prangen
am blauen Himmelssaal;
also werd ich auch stehen,
wenn mich wird heißen gehen
mein Gott aus diesem Jammertal.
Der Leib eilt nun zur Ruhe,
legt ab das Kleid und Schuhe,
das Bild der Sterblichkeit;
die zieh ich aus, dagegen
wird Christus mir anlegen
den Rock der Ehr und Herrlichkeit.
Das Haupt, die Füß und Hände
sind froh, dass nun zum Ende
die Arbeit kommen sei.
Herz, freu dich, du sollst werden
vom Elend dieser Erden
und von der Sünden Arbeit frei.
Nun geht, ihr matten Glieder,
geht hin und legt euch nieder,
der Betten ihr begehrt.
Es kommen Stund und Zeiten,
da man euch wird bereiten
zur Ruh ein Bettlein in der Erd.
Mein Augen stehn verdrossen,
im Nu sind sie geschlossen.
Wo bleibt dann Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
sei gut für allen Schaden,
du Aug und Wächter Israel’.
Breit aus die Flügel beide,
o Jesu, meine Freude,
und nimm dein Küchlein ein.
Will Satan mich verschlingen,
so lass die Englein singen:
»Dies Kind soll unverletzet sein.«
Auch euch, ihr meine Lieben,
soll heute nicht betrüben
kein Unfall noch Gefahr.
Gott lass euch selig schlafen,
stell euch die güldnen Waffen
ums Bett und seiner Engel Schar.