Gedichte mit Tradition, Folge 239: »Der Krüss’sche Tantenmörder« von Frank Klötgen

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer


Frank Klötgen

Der Krüss’sche Tantenmörder

Es hatte Herr Frank Wedekind
Verwie?, Verwo?, Verwandte –
Doch dezimierte deren Zahl
Sein Raubmord an der Tante.

Die alte Dame war ja schon
Ganz schwi, ganz schwa, ganz schwächlich!
Dass dennoch ihr am Leben lag,
War hier dann nebensächlich.

Denn insgeheim war diese Frau
Vermuh!, vermäh!, vermögend.
Und ihr Geschnaufe in der Nacht
War einfach nervensögend!

Da schlachtete der Fränkieboy
Die Ton, die Tun, die Tante
Er hieb so tief in ihren Leib,
Dass sie massivst entspannte.

Ins schwache Fleisch der Neffe stieß
Sein Muss, sein Miss, sein Messer
Und dachte dabei mitleidslos:
»Nun geht’s doch allen besser!«

Des Leichnams Schwere zerrt’ er in
Den Kill!, den Kall!, den Keller.
Vom Tiefgang ähnlich wie ein Grab –
Nur geht es so viel schneller!

Ja, so beerbt man vor der Zeit
Verwie?, Verwo?, Verwandte:
Man taucht ganz einfach seinen Dolch
Ins Bauchfleisch einer Tante.

Wenn ihr mich nun verurteil’n wollt,
Herr Ruch, Herr Rach, Herr Richter,
Legt bei der Strophe Versmaß an –
Ich bin doch nur ein Dichter!


© Frank Klötgen, München

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Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.



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