Gedichte mit Tradition, Folge 301: »Der Malocher in Bochum« von Karsten Paul

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer


Karsten Paul

Der Malocher in Bochum

Es war ein Malocher in Bochum
gar treu bis über das Grab.
Früh brachte der Krebs ihm die Frau um –
fast stieg er mit hinab.

Doch schenkte ihm noch im Sterben
einen Kaffeepott seine Frau,
mit Aufdruck – der fordert Leben:
Schnurr lange, mein Kater! Miau ;-)

Nun trinkt der Mann jeden Morgen
neue Kräfte aus dem Pott
und abends (gegen die Sorgen)
sein Bier. Das bringt ihm Spott.

Die Kneipenkumpel erklären,
der Pott, der schrecke ab:
»Wie sollen dich Frauen begehren?
Die sehn das und lachen sich schlapp!«

Er brummt was von Masse und Klasse.
»Mir reicht die meine schon aus!«
Er trinkt noch ’nen Korn aus der Tasse
und geht stets alleine nach Haus.

Im Fernsehen schaut er weiter,
was sie schon zu zweit gesehn,
und lächelt den Pott an, fast heiter,
wenn Filmmelodien verwehn …

Er geht mit dem Pott auch spazieren
und sammelt drin allerlei Kraut,
aus dem er dann, nach ihren
Rezepten, Heiltee braut.

Er ist durch den Pott nie alleine,
denn jeder Schluck schenkt ihm Sinn:
Sie bleibt für immer die Seine,
lebt weiter, tief in ihm drin.


© Karsten Paul, Linz und Nürnberg

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Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.



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