Humor in der Lyrik – Folge 16: Klabund (1890 – 1928): Kunterbuntergang des Abendlandes

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

Eigentlich hieß er nach seinem Vater, der Apotheker war, Alfred Henschke. Doch für seine erste Buchveröffentlichung wählte er das Pseudonym »Klabund«, das sich angeblich aus Teilen der Begriffe »Kla-bautermann und Vaga-bund« zusammensetzt. Doch in Wahrheit stammte der Künstlername vom Freund seines Vaters, eines gewissen Dr. Klabund.

Die Schulzeit auf dem Gymnasium empfand Alfred als »eine Art Pionierkaserne, wo wir gedrillt wurden, eiserne Brücken ins Nichts zu schlagen.« Nach dem Abitur, das er als »primus omnium« bestand, studierte er ab 1909 in München Chemie und Pharmazie, Astronomie und Malerei, später dann Germanistik Philosophie, Philologie und Theaterwissenschaften in Berlin und Lausanne. Nach Abbruch des Studiums lebte er ab 1912 als freier Schriftsteller in Berlin und München.

Klabund
Klabund
Seine ersten Verse veröffentlichte er im Journal »Jugend« und in anderen Zeitschriften unter den Pseudonymen »Jucundus Fröhlich« und »Samy Klabund«. Schließlich nannte er sich nur noch »kurz und rund: Klabund«. In seinem ersten Gedichtband mit dem Titel »Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern!« waren noch Einflüsse Frank Wedekinds erkennbar.

1913 erschienen in Alfred Kerrs Zeitschrift »PAN« Gedichte von ihm, die wegen ihres obszön empfundenen Inhalts die Öffentlichkeit schockierten und ein gerichtliches Nachspiel hatten. Doch Richard Dehmel, Max Halbe, Erich Mühsam und Frank Wedekind verteidigten seine Arbeit. Auch künftig blieb ihm, beeinflusst von Villon, Heine und Wedekind, die Vorliebe für erotische Themen.
 

Liebeslied

Dein Mund, der schön geschweifte,
Dein Lächeln, das mich streifte,
Dein Blick, der mich umarmte,
Dein Schoss, der mich erwärmte,
Dein Arm, der mich umschlungen,
Dein Wort, das mich umsungen,
Dein Haar, darein ich tauchte,
Dein Atem, der mich hauchte,
Dein Herz, das wilde Fohlen,
Die Seele unverhohlen,
Die Füße, welche liefen,
Als meine Lippen riefen
Gehört wohl mir, ist alles meins,
Wüßt nicht, was mir das liebste wär,
Und gäb nicht Höll noch Himmel her:
Eines und alles, all und eins.
 

Im August 1914 meldete sich Klabund freiwillig zum Kriegsdienst, wurde aber wegen Krankheit zurückgestellt. Bald wandelte sich die anfängliche Kriegsbegeisterung in eine radikale Ablehnung von Militarismus und Nationalismus. Am 3. Juni 1917 publizierte er in der »Neuen Zürcher Zeitung« einen offenen Brief an Kaiser Wilhelm II.: »… das deutsche Volk ist in den Jahren unsagbaren Leids gereift und den Kinderschuhen entwachsen: es braucht keine Bevormundung mehr. Es hat sie satt.« Und er forderte den Kaiser zur Abdankung auf.

Neben Gedichten – insgesamt verfasste er an die 1500 – schrieb Klabund auch Romane und Erzählungen über bekannte Helden wie von Bracke, Borgia, Franziskus, Mohammed, Moreau und Rasputin bis zu Störtebeker. Alles in allem entstanden in nur 14 Jahren über 60 Bücher voller Witz und Geist. Mit dem Eulenspiegelroman »Bracke« veröffentlichte er sein wohl erfolgreichstes Prosawerk. Sein 1920 unter dem Titel »Marietta« erschienener »Liebesroman aus Schwabing« befasst sich in ironischer Weise mit dem literarischen München. Ab 1924 schuf er in rascher Folge neun Schauspiele, darunter »Der Kreidekreis«, eine Nachdichtung aus dem Chinesischen, die Bert Brecht zu seinem Stück »Der kaukasische Kreidekreis« anregte.

Mit seinen frechen Chansons, Bänkel- und Brettl-Lieder stand Klabund oft selbst auf der Bühne und brillierte mit seinen Vorträgen etwa im Café des Westens am Kurfürstendamm, dem berühmten »Café Größenwahn«.
 

Bürgerliches Weihnachtsidyll

Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannebaum! O Tannebaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprugen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!
 

Im August 1924 lernte er die lebenslustige Schauspielerin Carola Neher kennen. Am 7. Mai 1925 heirateten sie. Seine 1927 erschienene Sammlung »Die Harfenjule« enthielt neben schlichten Liedern, volkstümlichen Balladen und feierlichen Gedichten auch provozierende, satirische Verse.

Eine Rippenfellentzündung mit nachfolgender Lungenschwindsucht, die er sich bereits als 15-jähriger bei einem Bad im eiskalten Wasser eines Bergsees geholt hatte, führte später zu einem bösen Lungenleiden, dem er im Sommer 1928 im Alter von erst 38 Jahren erlag.

Carl Zuckmayer schrieb erschüttert: »An deine Bahre treten, / Klabund, in langer Reih, / Die Narren und Propheten, / Die Tiere und Poeten, / Und ich bin auch dabei.« Und Hermann Hesse charakterisierte seinen Dichterkollegen mit den Worten: »Leicht bewegt, jedem Hauch offen, ist Klabund durch die Welt der Dichtung geflattert.« Er war »ein lyrischer Mensch, schmerzvoll verliebt in die Welt, in die ganze frohe, traurige, schöne, scheußliche, wunderliche Welt. […] Oft erscheint mir Klabund wie eine Windharfe, jeder Wind, er komme, woher er wolle, klingt in ihr auf, und jeder Klang scheint alt und oft gehört und klingt doch neu und berückend.«
 

Philosophie

Ein Philosoph schlug einen Kreis.
Wer weiß,
Was er damit bedachte.

Und siehe da – wie hingeschnellt
Hat sich ein zweiter zugesellt.
Da war es eine Achte.

So gehts den Philosophen meist,
Daß sie zwei nackte Nullen dreist
Zu einer Acht erheben.

Doch sehn sie das Exempel ein?
Nein!
Wo bliebe sonst ihr Leben?
 

Resignation

Ja, so geht es in der Welt,
Alles fühlt man sich entgleiten,
Jahre, Haare, Liebe, Geld
Und die großen Trunkenheiten.

Ach, bald ist man Doktor juris
Und Assessor und verehlicht,
Und was eine rechte Hur is,
Das verlernt man so allmählicht.

Nüchtern wurde man und schlecht.
Herz, du stumpfer, dumpfer Hammer!
Ist man jetzt einmal bezecht,
Hat man gleich den Katzenjammer.
 

Bauz

Bauz schwingt zierlich den Zylinder,
Bauz entstellt sich hiermit vor.
Bauz hat 45 Kinder
Und nen Bruch im Wasserrohr.
Bauz ist ohne alle Frage,
Bauz ist geradezu direkt,
Bauz macht jede Nacht zum Tage,
Bauz hat einen Schlauchdefekt.

Bauz ist jeder Krone Gipfel,
Bauz ist jedes Ärmels Loch,
Bauz ist auf dem I das Tipfel,
Bauz kroch, wo noch keiner kroch.
Bauz ist wiederum hingegen,
Bauz ist zwecks zu dem behuf,
Bauz ist andernteils deswegen,
Bauz ist ohne Widerruf!

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert