Humor in der Lyrik – Folge 28: Werner Finck (1902-1978): »An dem Punkt, wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor!«

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

Man nannte ihn »Meister des Wortwörtlichnehmens«, auch den »Mann der halben Sätze«, da er vieles nicht zu Ende sprach, sondern vom Publikum zu Ende denken ließ. Dabei verstand er selbst Todernstes mit stillem Lächeln so mitzuteilen, als sei es reiner Jux.

Geboren als Sohn eines Apothekers verabreichte auch Werner Finck später als Kabarettist den Menschen Medizin, bisweilen auch bittere, aber durchaus heilsame. Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Kunstschule in Dresden war er Mitglied einiger Laienspielgruppen bis er sein erstes Engagement als Schauspieler am Theater von Bunzlau erhielt, wo sein komisches Talent entdeckt wurde.

»Surrealistischer Vierzeiler // Gestern trat ein Fräulein an mein Bette / und behauptete, die Märchenfee zu sein, /und sie fragte mich, ob ich drei Wünsche hätte, / und ich sagte – um sie reinzulegen: Nein!«

Werner Finck
Werner Finck
1929 kam er nach Berlin, wo er als Mitbegründer und Leiter des Kabaretts »Die Katakombe« rasch große Erfolge feierte. Während des Dritten Reichs wurden ihm die meisten Flüsterwitze in den Mund gelegt. Mit seiner Kunst der Zwischentöne gelang es ihm, auch Kritik an den Nazis anzudeuten, die Pointen mit seiner Wortakrobatik aber zwischen den Zeilen gekonnt zu verstecken. Doch damit wagte er einen gefährlichen Balanceakt, denn in seinen Veranstaltungen schrieben die Nazispitzel eifrig jedes Wort mit. Werner Finck reizte sie: »Soll ich langsamer sprechen? – Kommen Sie mit? Oder soll ich mitkommen?«

Doch 1935 brachten ihn die Nazis zum Schweigen, indem sie ihn verhafteten. Auf die Frage eines SS-Manns: »Haben Sie Waffen«, fragte Finck zurück: »Nein, wieso? Braucht man hier welche?« Bei dem Prozess, der ihm gemacht wurde, kamen die Richter auf den Gedanken, die beanstandeten Sketche und Satiren, von der Gestapo eifrig mitgeschrieben, noch einmal vorführen zu lassen – öffentlich im voll besetzten Gerichtssaal! Die Heiterkeit des Publikums soll dementsprechend gewesen sein.

Die nun folgende Internierung im Konzentrationslager Esterwegen endete bald mit seiner Entlassung und mit der Erteilung eines Arbeitsverbots. Doch 1937 erlaubte man ihm wieder die Mitarbeit im »Kabarett der Komiker«, wobei die Mitwirkenden Goebbels persönlich versprechen mussten, auf politische Witze zu verzichten.

»Kampflied // Es weht ein frischer Wind, zwei, drei, / Wir wollen wieder lachen. / Gebt dem Humor die Straße frei, /Jetzt muss auch er erwachen. […] Drum laßt des Zwerchfells Grundgewalt / Am Trommelfell erklingen. / Wem das nicht paßt, der soll uns halt / Am Götz von Berlichingen.«

Werner Finck, der sich den Kopf nicht verbieten lassen, ihn aber auch nicht verlieren wollte, entwickelte seine Kunst der nicht zu Ende gesprochenen Sätze und der doppeldeutiger Bemerkungen weiter. Gleichwohl war ihm bewusst, auf was er sich damit einließ: »Am seidnen Faden hing ein Schwert, / Sich auf mein Haupt zu laden. / Glaubt ihr, daß mich das Schwert gestört? / Mich schreckte nur der Faden.«

1939 wurde er aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Bevor es zu seiner erneuten Verhaftung kam, meldete er sich zum Kriegsdienst, wurde zum Funker ausgebildet und kam in Frankreich, der Sowjetunion und Italien zum Einsatz. Neben dem Eisernen Kreuz 2. Klasse erhielt er den »Gefrierfleischorden«, wie er die »Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42« bezeichnete. Als Leiter der »Frontbühne Italien« trat er in Unterhaltungsprogrammen bei der Truppenbetreuung auf, was die von Goebbels geforderte Entlassung aus der Wehrmacht und Auslieferung an die Gestapo verhinderte. Nach dem Krieg meinte er lakonisch: »Es gibt Leute, die behaupten heute, ich wäre gegen die Nazis gewesen. Ich möchte also gleich betonen: Das sind Verleumdungen. Ich denke ja weiter. […] Was ich natürlich zugeben muß, ist etwas anderes: Die Nazis waren gegen mich.«

1945 geriet Finck in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Für verletzte Kriegsgefangene brachte er die Zeitschrift »Die Fieberkurve« heraus und trat im Lager Bad Aibling in Oberbayern vor seinen Mitgefangenen auf. Nach seiner Entlassung gründete er in München »Die Schmunzelpartei«, gab die erste deutsche Nachkriegs-Satirezeitschrift mit dem Titel »Das Wespennest« heraus und leitete in Zürich das Kabarett »Nebelhorn« und in Stuttgart »Die Mausefalle«. 1950 rief er die Partei »Radikale Mitte« ins Leben und erregte mit Parolen wie »Gegen Kompromisslosigkeit« oder »Für Aufrüstung der Toleranz« Aufsehen. Mit einer Sicherheitsnadel als Parteiabzeichen und einem weißen Tischtuch als Fahne trat die Partei gegen den »Ernst der [Adenauer-]Zeit« an.

In den Folgejahren tourte Finck mit einigen Soloprogrammen durch Deutschland, um die »Zersetzung der Humorlosigkeit im öffentlichen Leben« voranzutreiben. Er trat auch in der legendären Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf und begeisterte mit seinen Pointen das Publikum: »Ich stehe hinter jeder Regierung, bei der ich nicht sitzen muß, wenn ich nicht hinter ihr stehe.« – »Es gab einmal ein Zeitalter – es war das griechische – da war der Mensch das Maß aller Dinge. Heute sind die Dinge das Maß aller Menschen.« – »Was die Freiheit uns gibt, stiehlt sie dem Sozialismus, und was der Sozialismus uns gibt, stiehlt er der Freiheit.« – »Wer andere zum Lachen bringen kann, muß ernst genommen werden; das wissen alle Machthaber.«

Aber auch in Film- und Fernsehrollen war er ein gern gesehener Gast. In mehreren Büchern, darunter »Alter Narr, was nun?« bündelte er seine Erinnerungen und Texte. In den letzten Jahren vor seinem Tod wurde es still um ihn. Werner Finck starb 1978 und wurde auf dem Waldfriedhof in München (Neuer Teil im Grab Nr. 475-UW-8) bestattet.

»Das Bett // Meines Lebens A und Z /Sind der Diwan und das Bett. / […] Und mein Sterben wird allein / Weicher durch die Kissen sein. / Ach, und nehmt mir mein Skelett / Ganz zuletzt erst aus dem Bett.«

Seinem Sohn Hans Werner hinterließ er folgende Zeilen:

»[…] Sei stolz mein Sohn. // Sie haben deinem Vater reichlich zugesetzt, / Mein Sohn. / Ihn ein- und ausgesperrt und abgesetzt, / Sie haben manchen Hund auf ihn gehetzt – / Paß auf, mein Sohn. // Dein Vater hat gestohlen nicht und nicht betrogen, / Er ist nur gern mit Pfeil und Bogen / Als Freischütz auf die Phrasenjagd gezogen – / Und so, mein Sohn. / Kannst du den Leuten ruhig in die Augen gucken, / Mein Sohn. / Brauchst, wenn sie fragen, nicht zusammenzucken. / Ich ließ mir ungern in die Suppe spucken. / Das war’s, mein Sohn. […]«

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

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