Humor in der Lyrik – Folge 34: Alexander Roda Roda (1872 -1945): Die rote Weste von Schwabing

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

»Mit meinesgleichen, den sogenannten Humoristen, pflegt sich die Literaturgeschichte nur ganz hinten im Anhang zu befassen, flüchtig und in kleiner Schrift; auch erst, wenn unsereins lange genug tot ist«, so äußerte Roda Roda im Hinblick auf die Bedeutung, die man dem Humor in der deutschen Literatur zumisst.

Eigentlich hieß er nach seinem Vater, einem kroatischen Gutsverwalter, Rosenfeld. Doch der Vater nannte sich Roda. 1899 wurde der Familienname standesamtlich in Roda geändert und 1906 dann in Roda Roda.
Sein Studium brach er ebenso ab wie den Militärdienst, bei dem er es immerhin zum Leutnant brachte. Wegen »Nichtbefolgung eines Befehls und unpassendem Umgang an öffentlichen Orten« sowie wegen »Provozierung eines Kellners zu Beleidigungen« wurde er vom Dienst suspendiert. Aus dem roten Futter seiner Uniformjacke ließ er sich eine Weste schneidern, die er die nächsten drei Jahrzehnte trug und die ebenso zu seinem Markenzeichen wurde wie das Monokel, das er sich ins rechte Auge zwickte.

Alexander Roda Roda, Zeichnung von Albert Weisgerber (um 1912)
Alexander Roda Roda, Zeichnung von Albert Weisgerber (um 1912)

Nun widmete er sich seiner literarischen Berufung, schrieb für den »Simplicissimus« und veröffentlichte gleichsam als »schreibendes Doppelwesen« zusammen mit seiner Schwester Marie unter dem Namen A. M. Roda Roda – wobei A für Alexander und M für Marie stand – humoristische Bücher, Beiträge fürs Kabarett und Theaterstücke.
Reisen führten ihn nach Italien und Spanien. 1904 hielt er sich in Berlin auf und 1906 in München, wo er zu einem Schwabinger Original avancierte und als Lebemann, Bohemien und leidenschaftlicher Reiter bald stadtbekannt war. Wegen seiner knallroten Weste nannte man ihn »Die Rotweste«.
Während des Ersten Weltkriegs wurde sein Name durch mehr als 700 Beiträge als Kriegsberichterstatter für die »Neue Freie Presse« weithin bekannt. In den 1920er-Jahren trat er mit seinen Texten in Schwabinger Künstlerkneipen auf, so in der »Brennnessel«, in der »Torggelstube« oder im »Cafe Stefanie«, wo er sich als leidenschaftlicher Schachspieler auch nach kompetenten Gegnern umsah. Mit etlichen humoristischen Buchveröffentlichungen hatte er große Erfolge. Vor allem seine wenige Zeilen umfassenden Gedankenblitze machten ihn beliebt.
 

Ein Mann alleine – Lyrik.
Zwei Männer – Ballade.
Ein Mann und eine Frau – Novelle.
Zwei Frauen und ein Mann – Roman.
Zwei Männer und eine Frau – Drama.
Zwei Männer und zwei Frauen – Lustspiel.
 

1926 ging Roda-Roda nach Paris und 1928 nach Berlin, wo er bei einigen Filmen an den Drehbüchern mitarbeitete und sich auch als Schauspieler versuchte. Zu seinem 60. Geburtstag 1930 erschien eine dreibändige Werkausgabe.
1940 emigrierte Roda-Roda nach einem Schreibverbot in Deutschland, Österreich und der Schweiz in die USA, wo er 1945 im Alter von 73 Jahren in New York an Leukämie starb.

In vielen von Roda Rodas unnachahmlichen Geschichten präsentiert sich das ganze skurrile Personal der k.u.k. Monarchie, vertrottelte Adelige, komische Käuze und groteske Künstlergestalten mit all ihrer gemütlich-rustikalen Beschränktheit. Roda Roda war auch ein Meister des Aphorismus, aus dessen Feder zahlreiche Bonmots flossen, wie etwa die folgenden:
 

»Psychiater unterscheiden sich von den Verrückten nur durch die Ausbildung.«
»Wer viele Sprachen spricht, kann in vielen Sprachen Unsinn reden.«
»Freunde sind gut, vorausgesetzt, dass man sie nicht nötig hat.«
»Es ist ganz gesund, mal ein wenig krank zu sein.«
»Einmal sollte man nur so zur Probe leben dürfen; und dann noch einmal richtig.«
 

Manche seiner aphoristischen Gedanken haben den Charakter von witzigen Kurzgedichten:
 

Ehrlich währt am längsten.
Das ist eine Lüge,
die die Gauner ausgestreut haben,
um die Überfüllung
des Berufsstandes zu verhindern.

Es gibt zwei schöne Dinge auf der Welt:
Erinnern und Vergessen.
Und zwei häßliche:
Erinnern und Vergessen.

Es ist vielleicht die größte Tragödie des Alters
daß die Vorzüge der Jugend –
Leichtsinn, Beweglichkeit, Liebesbereitschaft –
beim alten Mann komisch wirken.

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

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