Humor in der Lyrik – Folge 5: Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781); »Nur nicht faul zu Lieb´und Wein, nur nicht faul zur Faulheit sein!«

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

 

»Was haben Sie denn gegen das Lachen? Kann man denn nicht auch lachend sehr ernsthaft sein?« fragt Minna von Barnhelm in Lessings gleichnamigem Lustspiel, als ihr Major von Tellheim versichert, er könne nicht mitlachen. Lessing, Sohn eines Pfarrers, kann von Kindheit an lachen, auch wenn sich die Lehrer über seine mokante, spöttische Art, mit der er ihnen begegnet, aufregen. Nach dem Studium der Theologie und Medizin beschließt er Schriftsteller zu werden. In Berlin schlägt er sich als Journalist durchs Leben, schreibt für »Das Neueste aus den Reiche des Witzes«, einer Beilage der Vossischen Zeitung. Auch Gedichte fließen aus seiner Feder, die sich vielfach Wein, Weib und Müßiggang widmen.

Die Gewißheit

Ob ich morgen leben werde,
Weiß ich freilich nicht:
Aber, wenn ich morgen lebe,
Daß ich morgen trinken werde,
Weiß ich ganz gewiß.
 

An eine kleine Schöne

Kleine Schöne, küsse mich.
Kleine Schöne, schämst du dich?
Küsse geben, Küsse nehmen,
Darf dich jetzo nicht beschämen.
Küsse mich noch hundertmal!

Küß’ und merk’ der Küsse Zahl.
Ich will dir, bei meinem Leben!
Alle zehnfach wiedergeben,
Wenn der Kuß kein Scherz mehr ist,
Und du zehn Jahr älter bist.
 

Die Faulheit

Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.
Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.

Bruder, laß das Buch voll Staub.
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Laß uns faul in allen Sachen,
Nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,
Nur nicht faul zur Faulheit sein.
 

Doch so faul war Lessing nun auch wieder nicht, sonst hatte er es nicht zum führenden deutschen Literaturkritiker geschafft. Außerdem wird er Sekretär beim preußischen General Tauentzien, dann Verlagsbuchhändler und für einen Hungerlohn Bibliothekar in Wolfenbüttel, später sogar Hofrat. Nach der Heirat mit Eva König bekommt er einen Sohn, der nur 24 Stunden am Leben bleibt. Zwei Wochen später stirbt auch noch die Mutter. »Ich verlor ihn so ungern, diesen Sohn!« gesteht Lessing mit sarkastischem Unterton. »Denn er hatte soviel Verstand! So viel Verstand! … War es nicht Verstand, dass er die erste Gelegenheit ergriff, sich wieder davon zu machen? … Meine Frau ist tot. Und diese Erfahrung habe ich nun auch gemacht. Ich freue mich, dass mir viel dergleichen Erfahrungen nicht mehr übrig sein können …, und ich bin ganz leicht.«

Eine Leichtigkeit haben auch seine Stücke vor allem das Lustspiel »Minna von Barnhelm«, das unter dem Eindruck des Siebenjährigen Krieges entsteht. Darin hinterfragt Lessing den Heldenbegriff seiner Zeit und führt mit Humor die fatalen Auswirkungen festgefahrener Traditionen und Wertevorstellungen auf eine Gesellschaft und ihre Individuen vor Augen. Minna liebt Tellheim und der Minna. Doch zwischen beiden schiebt sich Tellheims gekränkte Ehre. Er kehrt als gebrochener Held aus dem Krieg heim, da man ihn wegen einer ungerechten Anschuldigung aus der Armee entlassen hat. Er ist überzeugt, dass sich die Heirat mit Minna nun verbietet, obwohl er weiß, dass sie nicht zu den Frauen gehört, »die in ihren Männern nichts als den Titel und die Ehrenstelle lieben«. Minna aber gibt nicht auf. Gewitzt heckt sie einen Plan aus, um Tellheim mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Sie dreht den Spieß um und nimmt die Gründe, aus denen er die Verlobung löste, für sich selbst in Anspruch, packt damit Tellheim erneut an seiner Ehre, der sie daraufhin wieder umwirbt. Als sie ihn zurückweist, steuert ihr komödiantisches Spiel auf eine Tragödie zu. Doch alles löst sich in Wohlgefallen auf. Die bitteren Stunden, die Minna Tellheim durchleben lässt, machen aus einem Soldaten mit Ehre einen Menschen mit Verstand und feiner Humor besiegt tumben Ernst.

Die Schöne von hinten

Sieh Freund! sieh da! was geht
doch immer
Dort für ein reizend Frauenzimmer?
Der neuen Tracht Vollkommenheit,
Der engen Schritte Nettigkeit,
Die bei der kleinsten Hindrung stocken,
Der weiße Hals voll schwarzer Locken,
Der wohlgewachsne schlanke Leib,
Verrät ein junges art′ges Weib.

Komm Freund! komm, laß uns
schneller gehen,
Damit wir sie von vorne sehen.
Es muß, trügt nicht der hintre Schein,
Die Venus oder Phyllis sein.
Komm, eile doch! – O welches Glücke!
Jetzt sieht sie ungefähr zurücke.
Was wars, das mich entzückt gemacht?
Ein altes Weib in junger Tracht.
 

An den Leser

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir wollen weniger erhoben,
Und fleißiger gelesen sein.
 

Antwort eines trunknen Dichters

Ein trunkner Dichter leerte
Sein Glas auf jeden Zug;
Ihn warnte sein Gefährte:
Hör’ auf! du hast genug.

Bereit vom Stuhl zu sinken,
Sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

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