rezensiert von David Westphal
Im Münchner Verlag scaneg erschien vergangenen Winter in der Edition Villa Q. Jürgen Bullas Gedichtband »Ich sehe noch Tellaro. Landschaften mit und ohne Cara«. Tellaro ist zwar auf dem von Christoph Hessel gestalteten Cover des 64 Seiten starken Buches nicht zu sehen – und Cara auch nicht – aber es schmückt den weißen Band mit einer künstlerischen Interpretation einer mediterranen Landschaft.
Auf den ersten Seiten warten bereits zwei Überraschungen: Sozusagen als Unteruntertitel werden dem Leser die folgenden Gedichte als »poetischer Dialog« angepriesen mit der Widmung: »für Cara / mit und ohne Landschaft«. Der Autor macht es einem durchaus schmackhaft weiter zu blättern, um Cara (oder doch der Landschaft?) auf die Spur zu kommen.
Zunächst aber zu den Gedichten, die den Leser erwarten. Es deutet schon viel darauf hin: es handelt sich um Reisepoesie. Sie führt uns durch den Mittelmeerraum, an die Atlantikküste, aber auch nach München und Kochel am See; eine kleine Europareise also. Die Gedichte sind aus der Sicht des lyrischen Ichs geschrieben und schildern die subjektiven Erlebnisse an den vielen verschiedenen Orten auf dessen Reise. Die Gedichte sind auf der Höhe der Zeit, spielen vielseitig mit Enjambements, Mehrdeutigkeiten und der Unvollständigkeit zur Immitation von Gedankensträngen. Man greift sozusagen durch die Subjektivität scheinbar unvermittelt auf die Orte zu, frei nach James Joyces Idee von moderner Literatur, dem auch »Garten von Eppan, Paradise lost« gewidmet ist. Das macht Bullas Werk besonders für reiseliebende Leser interessant. Das aber ist nicht wirklich das Spannende an diesem Gedichtband!
Bisher verschwiegen habe ich, dass jedes Gedicht doppelt vertreten ist: »Garten von Eppan, Paradise lost« und »Stillleben, Eppan«; »Sturm I« und »Sturm II«; »Nach Napoli« und »Vesuvvision mit Cara«. Man stelle sich vor man reise alleine und unaufhörlich muss man darüber nachdenken, wie es wohl wäre, wenn eine bestimmte Person gerade in diesem Moment bei einem wäre. So oder so ähnlich – was auch immer der Leser daraus macht – spielt sich der poetische Dialog in diesem Gedichtband Seite für Seite ab. Man wird Teil einer Sehnsuchtsreise auf den Spuren von Cara: ohne sie ist das Paradies verloren, ohne sie werden »Berge, / das Dorf und das Meer« in »Zukunft unvorstellbar« sein.
In diesem Spiel von Landschaft mit und Landschaft ohne Cara entfaltet sich das Potenzial der Gedichte. An irgendeiner Stelle muss sich der Leser fragen, wie wichtig eigentlich die Schilderungen sind und ob nicht nur Cara zählt: »mit oder ohne Landschaft«. Das lyrische Ich stellt sich gar selbst in Frage in »Mit und ohne Dichter am Wannsee«. Am Ende des Bandes wünscht man sich sehnlich, dass eine »schützende / Hand auf das Paar« Obacht gibt und siehe da: man schlägt das Buch zu und Cara blickt einen urplötzlich vertrauensvoll aus der mediterranen Landschaft des Umschlages an – endlich!
Im eigentlichen Sinne geht es hier nicht um die Reise, ich muss mich revidieren: der Kern der Gedichte ist die Liebe und die Sehnsucht; aber auch wer weder mit Reise- noch mit Liebeslyrik etwas anfangen kann, der darf sich beeindruckt von Bullas dialogischer Poetik zeigen.
Jürgen Bulla
Ich sehe noch Tellaro. Landschaften mit und ohne Cara
Poetischer Dialog
scaneg Verlag, München 2015
Softcover, 64 S.
€ 10,00 (D)
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