Liebessehnsucht, Systemkritik und der eigene Platz in der Welt: Anna Münkels neuer Gedichtband »Es sind nur Worte«

Anna Münkel, natürlich mit Hut – Foto: Maren Martell

Mit sympathischem Understatement kommt Anna Münkels neuer Gedichtband daher: »Es sind nur Worte« lautet sein Titel. Und zeigt so gleich an, hier soll mal nicht gleich die ganze Welt erklärt oder gar gerettet werden. Und auch sonst herrscht kein überbordender Anspruch. Nein, es geht ganz entspannt zu. Und, wie man bald in der Lektüre weiß: sehr persönlich, aber gut nachzuvollziehen und mitfühlbar. Überdies gibt’s eine ordentliche Portion Schwung, denn die junge Autorin (Jahrgang 2001) mit dem roten Hut, die am Ammersee lebt, neigt zum Liedhaften – und hat dort zweifellos auch ihre Stärke.

Nicht umsonst bekennt Anton G. Leitner, der Herausgeber des Bandes im Vorwort, dass er bei der Lektüre ebenjener Gedichte »mindestens ein Bein mitwippen lassen« möchte. Und er weiß auch, wieso Münkel nun bereits den fünften Band mit Gedichten vorlegt: Gedichte gehörten einfach zu Anna Münkel, jener Nachwuchsdichterin, die uns bereits seit ihrem neunten Lebensjahr an ihrer Entfaltung teilhaben lasse.

Die Traumfrau steht in der Tür – Sehnsucht und Einsamkeit

Vorzugsweise in Reim und Rhythmus schreitet sie in ihrem neuen Gedichtband (ähnlich wie im hier besprochenen Vorgänger »Lachen geht immer«, nur freilich etwas reifer), mal fröhlich pfeifend, mal beherzt klagend, ihre Lebens- und Liebes-, ihre Einsamkeits- und Sehnsuchtswelt ab; und damit auch, ein gutes Stück weit, die Lebensräume so einiger anderer Teenager und Studentinnen sowie Studenten aus der bundesrepublikanischen Mittelschicht. Um heimliche Lieben geht es da und um die Traumfrau, die plötzlich an der Tür klingelt und freilich vernascht werden soll, die Sahneschnitte. Um ersten Alkoholkonsum, um existenzielle Sinnsuchen und um gesellschaftliche Fragestellungen – etwa, wer so alles mithört, wenn man per Handy telefoniert.

Gewitzt und mit Augenzwinkern werden da auch gerne mal die Leserinnen und Leser in die Irre geleitet, etwa wenn sich die Suche nach dem Richtigen, mitten zwischen amourösen Poemen, überraschend und mit routiniert gesetzter Pointe als Suche nach dem passenden Teil beim Puzzeln entpuppt. Oder wenn ein streitendes Paar geschildert wird – dessen einziger Konflikt, wie sich ganz an Ende herausstellt, nur darin besteht, wo sie dieses Mal herrliche Urlaubstage miteinander verbringen wollen.

Beschwingt und verständlich – doch nicht beliebig

Angenehm: Es gibt so manches Mal heile Welt. Das mag einigen Leserinnen und Lesern guttun, gerade in so überspannten Zeiten wie diesen. Dabei aber sind die Urlaubsbilder, die gezeichnet werden, und die sonstigen positiven Stimmungsbilder stets glaubhaft, und selbst die freudvoll ausgeführten Wortspielerein wirken authentisch.

Anna Münkel führt offenbar kein schlechtes Leben – warum sollte sie die beschwingten und leichten Aspekte verstecken? Und warum sollte da nicht die ungeliebte Mathe-Hausaufgabe auch mal als echtes Problem fungieren?

Dabei aber macht sie gleich in ihrem Vorwort deutlich: »Es sind eben nur Worte«, das sollte man doch nicht ganz so wörtlich nehmen. Ja, da ist diese Leichtigkeit, und verständlich ist jeder Münkel-Text auch auf Anhieb, dazu verweisen die Themen, wenngleich sie mit der Autorin sich auch verändern, gerne noch auf Probleme aus dem Schülerkosmos, doch unverbindlich zu sein oder gar beliebig oder schludrig mit Sprache umzugehen – nein, das alles liegt Münkels Intention denkbar fern.

Kapitalismuskritik, existentielle Fragen und der Sprung vom Dreimeterbrett

Sie beschreibt sich und ihre Welt, mit Sprache als vielseitigem Werkzeug und einem freundlichen, schüchternen Wesen als Basis. Hier, in ihrer Welt, in »Es sind nur Worte« geht es ums Alleinsein, das Nichtzurechtfinden in der Welt, um die Rücksichtslosigkeit der Menschen und darum, dass wir es doch eigentlich alle ziemlich guthaben. Hier geht es um Sommerliebelei, den Sprung vom Dreimeterbrett im Freibad und die Schönheit des eigenen Zimmers, um das Füttern der Katzen und die Bedeutung von Worten, die Unergründlichkeit von Handtaschen, um Leistungsdruck, Konformitätszwang und Lampenfieber, um das Schreiben, das kleine, liebe Nichts und die Urlaubsmorgenstimmung, um Ausschlafen, Alleinwein (kein Schreibfehler!) und eine Zugfahrt, auf der eine Fremde sie, ohne dass diese es ahnt, bezirzt, es gibt Putin- und Internet- und Kaptitalismus- bzw. Konsum-Kritik, eine Ode ans Meer, eine Hymne auf die kleine, feine Familiendecke – und wir finden uns wieder »Im Blutrausch der Liebe«.

Was die Dichterin will? »Dring in mich ein«, ist eines ihrer Gedichte überschrieben. Das meint, auf das ganze Buch bezogen und an die Leserinnen und Leser gerichtet: Kommt in meinen Kopf, folgt mir durch meine Welt, lernt mich kennen und genießt diese Reise! Und nehmt dabei auch ein bisschen was mit. Besonders überzeugend gelingt ihr dies mit ihren vor allem schwärmerischen Liebesgedichten und mit jenen Texten, die den Leser, die Leserin lustvoll foppen.

(jeh)


Leseprobe


Sommerliebe

Ich habe meine Sommerliebe
Jeden Sommer warte ich darauf, dass sie kommt
Selbe Zeit, selber Ort

Ich weiß, dass sie nie kommen wird
Doch ich warte trotzdem jedes Jahr
Selbe Zeit, selber Ort


Eckdaten zum Buch

Anna Münkel
Es sind nur Worte
Aufgeweckte Gedichte
Hg. v. Anton G. Leitner
Bauer-Verlag, Thalhofen 2023
96 Seiten, Hardcover
€ 12,00
ISBN 978-3-9551-172-21


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