Lockdown-Lyrik 2.0 / 042: »Jetzt ist die Zeit der Tänze« von Nugzar Zazanashvili

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer für die Mitherausgeberschaft bei Folge 1-154).

 

Nugzar Zazanashvili (ნუგზარ ზაზანაშვილი)

Jetzt ist die Zeit der Tänze
(nach der Lektüre des »Steppenwolf« von Hermann Hesse)

Ich habe lange nicht mehr getanzt …

Ein guter Tänzer war ich nie –
dafür fehlte mir die Ausdruckskraft.
Melodie und Rhythmus aber spürte ich gut
und tanzte gern
mit jungen und nicht mehr ganz jungen Damen,
langsame Tänze.

Wann habe ich das letzte Mal getanzt?
Daran kann ich mich partout nicht erinnern,
vielleicht vor fünfundzwanzig Jahren.

Ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen!

Aber ich habe gerne getanzt,
Ich wünschte mir seit meiner Kita-Zeit, ein guter Tänzer zu werden,
die Kita befand sich über einem Modehaus am Woronzow Platz
im dritten Stock.
Dort hat man uns 4-5-Jährigen
jeden Tag, eine Stunde lang, paarweise, georgische Volkstänze beigebracht.

Nein, ein guter Tänzer bin ich nicht geworden.

Na und?
Trotz allem tanze ich!
Und ich tanze, wie ich kann,
besonders jetzt, diese Zeit ist genau richtig, um zu tanzen,
die Zeit der Pandemie:
Ich bin zu Hause eingesperrt.
Drum stehe ich auf
und tanze los!

 

© 2020 Nugzar Zazanashvili, Tblissi
(Nachdichtung und Redaktion: Sabine Schiffner;
Interlinearübersetzung: Bela Chekurishvili)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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