Lockdown-Lyrik 2.0 / 129: »Ich, Autist, Corona« von E. A. Diroll

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer, Mitherausgeber Folge 1-154).

 

E. A. Diroll

Ich, Autist, Corona

Ich gehe gern in die Schule.
Da sind Knöpfe. Da sind Waschbecken. Seife. Und Seifenspender.
Und da gibt es einen Aufzug. Und einen Aufzug-Knopf.
Und Spielsachen und Spielkarten.
Und die Tobe-Ecke und die Turnhalle und einen riesigen Garten und einen Spielplatz und eine Rutsche und eine Wippe.

Jetzt ist die Schule ganz anders.
Überall sind Punkte und Striche auf dem Boden.
Überall Einbahnstraßen-Schilder.
Und ich darf ganz viel Wasser und Seife aus den Seifenspendern benutzen.
Und in der Pause und beim Essen habe ich ein Klassenzimmer ganz für mich.
In der Schule ist vieles ganz anders.
Die Sitzordnung. Die Stuhl-Ordnung. Die Tischordnung.
Die Garderobe ist noch da, wo sie war.
Auch mein markierter Platz.
Die Bank habe ich ganz komplett.
Aber mein Schulbegleiter lässt mich meine Jacke da aufhängen, wo mein Platz ist.
Obwohl alle Haken frei sind.

(für Leon von seinem Schulbegleiter, Ausschnitt)

 

© 2021 E. A. Diroll, Darmstadt
(Redaktion: Alex Dreppec)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert