»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.
Fritz Deppert
Nachtasyl
Türen will ich schließen,
Fenster verriegeln.
Gegen beide klopfen vergeblich
Freund und Feind und der Wind,
ich werde sie ebenso wenig einlassen
wie die Erinnerungen an
Heilschreie, Brandnächte und
die Demütigungen des
hungernden Kindes. Nur
den Mond lasse ich einsteigen,
wenn es keiner sieht, in der Nacht.
Milchstraßen und ihre Unendlichkeit
werden wieder über der Stadt sichtbar.
Dann frage ich mich zwischen
Weinglas und aufgeschlagenem Buch,
ob es mich noch gibt – und hoffe
auf allmähliches Verschwinden.
© Fritz Deppert, Darmstadt
Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.
Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.
Bleiben Sie gesund!
Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.