»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.
Fanny Tanck
Stille Zeit
Stille
ist nicht ein Drosseln der Lautstärke
das Ausbleiben von Lärm
Sie rührt nicht von sprachlosen Telefonen
ist keine Auszeit
Stille
rührt sich von selbst
und die heile Welt beginnt zu bröckeln
Kein sanftes Lüftchen weht mehr
über der Stirne
Stille
ist die aufgeschobene Spannung
Schwüle die gegen die Schläfen drückt
ein Wetterleuchten im Innern und Blitze
im Dunkeln
Stille
ist wenn sich die pumpende Luft
durch dünne Ritzen presst
und durch die Gedanken ein Druck geht
der ihr Gerüst weitet
Und Gedanken
in stiller Zeit
sind schwere Stoffe
nicht anzuheben durch einen Menschen allein
sie müssen alle gemeinsam stemmen
nach oben und
unter ihnen
verformt sich die Welt
© Fanny Tanck, Berlin
Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.
Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.
Bleiben Sie gesund!
Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.
Sehr berührende Worte! Wirklich klasse.
“Stille ist nicht das Ausbleiben von Lärm”: gefällt mir!