Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.
Planbarkeit. Das ist es, was der moderne Mensch liebt. Auch der junge Mensch übrigens, wie gerade mal wieder eine Studie ergeben hat. Im Prinzip kommt ein Kind ja schon mit einem Zeitplan, den es von den Eltern übergestülpt bekommt, auf die Welt. Bis zu einem bestimmten Monat sollte der Kleine laufen können, sprechen natürlich auch und das mit der Toilette muss ebenfalls nach Plan laufen. Im Kindergarten und in der Grundschule sind die Tage komplett verplant mit Kinderturnen, Kindertöpfern, Kinderyoga, Kinderschwimmen, Kinderenglisch usw. Das setzt sich bis zum Schulabschluss fort. Was würde nur aus jungen Menschen werden, wenn sie Zeit für sich selbst hätten? Vermutlich kämen nur unzivilisierte, verrohte Computernerds dabei heraus. Deshalb wird das junge Leben besser gleich von denen verplant, die es besser wissen, nämlich die Eltern. Im Job geht’s dann wieder darum, Pläne zu entwickeln und die gesteckten Ziele zu erreichen. Aber bitte ohne Risiken, Unwägbarkeiten – dafür bestens geplant. Beim Autofahren wird die Reise vom Navi geplant, die Hochzeit übernimmt der Weddingplaner, den Urlaub lässt man man sich ebenfalls von einem Fachmann oder einer Suchmaschine ausarbeiten, es gibt einen Ernährungsplan, einen Bewegungsplan, ja sogar die Entspannung mit Yogastunden und Meditation wird in Tabellen und Kalender eingetragen und ist zeitlich limitiert. Geburtstage, Jubiläen, Jahrestage. Alles ebenfalls ordentlich vermerkt. Damit man sich rechtzeitig drauf einstellen kann.
Doch was ist das? Jedes Jahr durchkreuzt der Mond die Pläne des modernen Menschen. Und er bekommt eine Ahnung, wie das Leben vor der Erfindung des Google-Kalenders gewesen sein muss. Also weit vor der Erfindung des Internets an sich. Genauer gesagt werfen wir einen Blick zurück in das Jahr 325. Da fand das Konzil von Nicäa statt. Sie erinnern sich sicherlich. Und da wurde festgelegt, dass sich das Osterfest am Frühlingsvollmond orientiert. Deswegen wird Ostern mal früher und mal später gefeiert. Dementsprechend ist auch Pfingsten eine flexible Angelegenheit und fällt dieses Jahr schon auf den 15. Mai. Die Folge: jedes Jahr neue Ferienzeiten, neue Urlaubspläne, neue Kalender. Ein Graus! Vermutlich hat man im Jahr 325 noch nichts von Kita-Öffnungszeiten und Nachmittagsbetreuung gehört. Und von der unbedingten Notwendigkeit, am ersten Ferientag in den Urlaub fahren zu müssen.
Ferienbeginn,
Zur Hölle
ging die Idylle
aus der es lauthals Rindvieh tönte
wo eben noch ein Motor dröhnte
Seit Stunden Stau
nur weil das Rind die dumme Sau
den Weg versperrt
dass nichts mehr fährt
auf der A 9 am Kindinger Berg
© Melanie Arzenheimer, Eichstätt
»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als Chefredakteurin bei der espresso Mediengruppe Ingolstadt, sowie als freiberufliche Hörfunkmoderatorin.
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