Melanie am Letzten – Folge 33: Die Ver-Stimmung

Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.

 

Das Schöne am Bundestag oder am Landtag ist, dass die beiden Institutionen so weit weg sind. Dann bekommt man wenigstens nicht mit, was der Volksvertreter so treibt, den man in dieses Parlament gewählt hat oder der den eigenen Wahlkreis vertritt, auch wenn man ihn nicht gewählt hat. Anders sieht das in der Kommunalpolitik aus. Dank sozialer Medien teilt man mir – ob ich will oder nicht – sämtliche Gefühlszustände mit. Und vor allem, warum wer jetzt schon wieder sauer auf den einen ist, sich vom anderen übergangen, missachtet oder schlecht behandelt fühlt. Der nächste setzt zum rhetorischen Gegenschlag an, hält den einen für einen Selbstdarsteller und die andere für eine Heulsuse. Bla, bla, bla, bla. Irgendwann werden in der Politik Sachthemen gar keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch Emotionen.

Eine Art Krakelisierung macht sich in den Kommunalparlamenten breit. Hauptsache laut. Kompromisse haben offenbar einen schlechten Ruf und wenn man dann doch aus Versehen für oder gegen etwas gestimmt hat, das die schreiende Minderheit (die Mehrheit schweigt ja meist) blöd findet, dann war man es eigentlich gar nicht. Oh, hoppla, hab mich ver-stimmt. Man schart einfach wieder seine Jünger um sich und zieht wortgewaltig ins nächste Gefecht. Dann sind wir eben alle Trump. Der irre römische Kaiser Caligula hat übrigens mal einen Esel zum Senator ernannt. Das würde auch sehr gut in die heutige hysterische Zeit passen. Ich würde bei der nächsten Kommunalwahl deshalb gerne meinen Hamster auf eine Liste setzen. Der ist ausschließlich an Sachthemen interessiert: Wo bekomme ich mein Essen? Wer macht meinen Käfig sauber? Und so schlau wie Donald Trump ist er allemal. Und er wüsste, wie er sich zumindest in der Öffentlichkeit zu benehmen hätte (sonst gibt’s kein Futter, gell?).
 

Unter Spezln

Ankunft zweier Politiker mit Blitzlichtgewitter

Welche Freude
Sie zu seh’n
stolz ist jeder
der Sie kennt

Solche Ehre
hier zu steh’n
danke für den
Glücksmoment

Abreise zweier Politiker ohne Blitzlichtgewitter

Neben diesem
Depp zu steh’n
eine Frechheit
sondergleichen

Dieses Rindvieh
hier zu seh’n
pack i net,
der soll sich schleichen!
 

© Melanie Arzenheimer, Eichstätt

 

Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath

»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als Chefredakteurin bei der espresso Mediengruppe Ingolstadt, sowie als freiberufliche Hörfunkmoderatorin.
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Alle bereits erschienenen Folgen von »Melanie am Letzten« finden Sie hier.

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