Neugelesen – Folge 41: »Flauschnacht Rauschnacht« von Hellmuth Opitz

Literatur ist vergänglich, trotz ihrer Materialität. Denn allmählich entschwinden Bücher in Archivbibliotheken und verlassen unseren Erfahrungshorizont. David Westphal möchte in Nachfolge an die Kolumne »Wiedergelesen« dagegen anschreiben. Er stellt an jedem 15. des Monats Vergessenes und Neugelesenes in seiner Rubrik »Neugelesen« vor (in memoriam Erich Jooß, † 2017).

 

Hellmuth Opitz »Flauschnacht Rauschnacht«

Was Kultur, eine Kultur und Kulturen sind, ist nicht so klar, wie landläufig gedacht. Es ist ein bisschen wie mit Zeit: natürlich weiß ich, was Zeit ist – nur erklären kann ich sie nicht. Eines ist Kultur in jeglichem Sinn jedoch elementar: sie entwickelt sich durch Referenzen. Sowohl verweist sie auf das Ist, den aktuellen Kulturbestand dieser Welt, als auch auf das War, die eigene Vergangenheit. Sie ist immer ein dichtes Gewebe, in ständiger Veränderung. Nicht allzu selten entsteht Kultur auch durch gewaltsame Enteignung oder durch Reverenzen – ein Wort aus unserer eigenen, sprachlichen Vergangenheit.

Eine Reverenz ist eine Ehrerbietung, sagt der Duden. Das ist es, was Opitz’ Gedichte in Flauschnacht Rauschnacht, erschienen im Pendragon Verlag 2022, am besten können. Sie sind eine Verneigung vor dem Alltag, nicht ohne Geschenke. Opitz schenkt dem alltäglichen viele neue Bilder, die stilsicher den Kern des Pudels streicheln – bei guter Musik, und warum nicht auch ein Bier?

Ist es nicht merkwürdig, dass sich Dichterinnen und Dichter der Pop-Kultur allzu häufig so entziehen? Als ob keiner von ihnen mal AC/DC oder Bruce Springsteen hört und sich auf der Couch vor Spielbergs weißem Hai gruselt. In Opitz’ Gedichten dürfen Querverweise zwischen Rock, Film und Literatur friedlich koexistieren. Das muss kein Widerspruch sein! Aber „man wird ruhiger mit der Zeit.“ Das „Schleifgerät“, „Rollsplit, Rost und Graupelschauer“ findet man nur in handlichen Größen. Die Leinwand ist groß, der Blockbuster verdammt gut! – aber was machen wir danach? Würde ich den Film meinen Freunden empfehlen? Aufjedenfall! Aber es könnte sein, dass die Rauschnacht nach dem Kinobesuch erst richtig losgeht …

 

"Flauschnacht Rauschnacht - Gedichte" von Hellmuth Opitz
Buchcover-Abbildung (Pendragon Verlag)

 

 

 

 

 

Opitz, Hellmuth: Flauschnacht Rauschnacht
Pendragon Verlag, Bielefeld 2022
120 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-86532-782-6

 

 

 

David Westphal. Foto: Volker Derlath
David Westphal. Foto: Volker Derlath

David Westphal, geboren 1989 in München, wo er auch lebt. Studium der Philosophie, Germanistik, Literatur- und Kulturtheorie zu Gießen und Tübingen. Gedichtveröffentlichungen in verschiedenen Anthologien.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Neugelesen« finden Sie hier.

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