Notaufnahme

von Hellmuth Opitz

Wie unsere Blicke basteln am TausendTeilePuzzle
eines einzigen Sommertags. Am schwersten der Himmel
bei Tarragona, passgenau verfugt das Blaulicht
seinerzeit, als der Tankwagen durch die Leitplanken brach
und explodierte mitten auf dem Campingplatz:
die aufgeschlagenen Zelte menschlicher Haut
geschmolzenes Gestänge, Planen, Schwebepartikel der Seele,
fehlende Erinnerungsteilchen, nein, kein Memory und heute:

nur eine Notaufnahme am Strand, ein aufgegebenes Hospital,
skelettierte Gebäudeflügel. Dort legst du an, Teilchen um
Teilchen, die abgeplatzten Kacheln der Bäder, das gleißende
Besteck des Lichts, wie es sich in den Brustkorb des Foyers senkt,
fabelhafte Filmkulisse, ein Bild, mit dem du nicht fertig wirst.
Hier noch ein Teilchen mit Gardinenfetzen, die dir zuwinken
und eine kleine Ungeduld lang siehst du die Reihe zerborstener
Fensterscheiben: aufgerissene Münder mit Schnappatmung.

 
© Hellmuth Opitz, Bielefeld

Ein Kommentar

  1. Ein wunderschöner Text, offen, glatt, diskursiv, und zur Freude des überlasteten Lesers von einer Erdnähe und Klarheit im Ausdruck, die der überkonstruierten und durchpoetisierten Lyrik mancher Zeitgenossen leider völlig fehlt. Und: Als gebürtiger Bielefelder freue ich mich immer sehr über ein Opitz-Gedicht!

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