Poetische Aphrodisiaka bietet Anna Breitenbach in ihrem neuen Gedichtband »Love Shots«

von Hellmuth Opitz

Der Begriff »Shots« stammt aus der amerikanischen Barkultur und bezeichnet zumeist  alkoholische Getränke, die in einem Zug geleert werden, wie Schnaps, Tequila, Vodka oder Ouzo. Sie werden »Shots« genannt, weil der Barkeeper das kleine Glas oben gegen den jeweiligen Flaschenverschluss drückt und das Getränk dabei wie ein Spritzer, ein »Schuss«, ins Glas gegeben wird. Das deutsche Pendant zu »Shots« ist »Kurze«.

Offensive Erotik mit berauschender Wirkung

In den erotischen »Love Shots« von Anna Breitenbach ist natürlich von Einspritzern ganz anderer Art die Rede, aber kurz sind sie meistens auch. Dafür entfalten sie – hintereinander weg genossen – eine ebenso berauschende Wirkung wie ihre alkoholischen Vorbilder. Breitenbach trippelt nicht verlegen um den heißen Brei herum, hier gibt’s keine rhetorischen Schleiertänze, hier geht’s unvermittelt zur Sache, etwa mit diesem poetischen Ratschlag: »Ansatzweise / könnte man mich schon / mal küssen, bevor wir / diese Verbindung dann / doch vertiefen müssen.« Hier sind keine diffizilen Flirtstrategien gefragt, hier geht es nicht um vorsichtiges Nippen, hier heißt es – wie bei Kurzen üblich – hinunterstürzen, und zwar zackig.  Denn wie die Poetin im Zweizeiler »Falsche Beruhigung« in schönster Offenheit meint: »Halb so wild!?I – Wer / will das denn haben.« Anna Breitenbach erweist sich in diesem 80 Gedichte (50 Love Shots, 30 Love Poems) umfassenden Band als so erfahrene wie offensive erotische Pfadfinderin, die ein ums andere Mal überzeugend nachweist, dass Lieben auch Hautsache ist.

Die Kürze dieser poetischen Aphrodisiaka ist natürlich manch gehemmtem und verklemmten Zeitgenossen verdächtig: Erotische Kalenderweisheiten, die man so oder ähnlich schon mal gehört hat, murmelt es aus diesen Lyrik-Puritanern, die schon Leistenziehen bekommen, wenn sie sich mal locker machen sollen. Anna Breitenbach kontert das zum Beispiel in dem Gedicht »Wenn sofort zu langsam ist« mit originellen Wortspielereien: »Ich wollte mal dein Sputnik / sein, in keiner Umlaufbahn, / so nackt wie ich bin, spute / ich mich direkt zu dir hin.« Sputnik und sputen – muss man auch erst mal drauf kommen.

Mit Quickies und auf der Langstrecke überzeugt die erotische Freibeuterin Breitenbach

Neben diesen poetischen Quickies steht Anna Breitenbach aber auch die lyrische Langstrecke mühelos. »Stoffwechsel« ist ein geradezu manifestartiges Gedicht über mehrere Seiten hinweg. In ihren längeren Gedichten kommen auch die körperlichen Details direkter und unmittelbarer zur Sprache: Schwänze, Brüste, der Sex mit Männern, mit Frauen – vor dieser erotischen Freibeuterin ist nichts sicher. Nicht einmal sie selbst und die Erkenntnis vom Zahn der Zeit. Am Ende ihres Gedichts »La rose vampire« heißt es etwa: »Sie treibt sich gegen / Morgen unnachgiebig […] / in ihre dunkle Kammer, wo sie sich hütet vor / dem harten bösen Licht / und weil sie so auch / langsamer verblüht.«  Selbst scheinbar alterslose Vampirinnen der Liebe unterliegen also Verschleißprozessen. Hier äußern sich aber nicht Jugendwahn und Eitelkeit, sondern eine gewisse Zärtlichkeit und Großzügigkeit mit sich selbst. Anna Breitenbach kann es sich leisten, hat sie doch mit den »Love Shots« ein wunderbares Vademecum für alle Lebens- und Liebeslagen verfasst.

 


Anna Breitenbach
Love Shots

Gedichte
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke
Klappenbroschur
96 S.
12,50 €
ISBN 978-3-88769-332-9

 

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