von Hellmuth Opitz
Sechzehn Songs enthält dieses Album, im Grunde sind alle eine Liebeserklärung an Berlin, diese Stadt mit Dreck unter den Fingernägeln und dysfunktionaler Verwaltung, mit großen Visionen und kleinen Wundern. Salli Sallmann, der Poet und Songwriter, weiß diese Liebe mit aufgerautem Charme zu besingen. »Berlin, du machst mich hin« heißt einer der prägnantesten Songs, und dort gesteht Sallmann: »Berlin ist meine feste Frau, ich kann sie nicht verlassen. / Ich kann sie nicht lieben, aber auch nicht hassen. / Ich kann Berlin nicht auszieh’n, seine Schmuddelviertel. / Berlin hat Speck am Gürtel.«
Der Singer-Songwriter findet überzeugende Bilder, er beleuchtet die dunklen Ecken, wo die von ihm liebevoll bedachten Verlierer hausen, ebenso wie die Hochglanzfassaden, die von Größenwahn-Anfällen zeugen. Aber wie schrieb einst Gottfried Benn sinngemäß: Dieses gemeine Berlin streift alles Sentimentale ab. Doch bei Sallmann darf es auch mal sentimental werden, wie in dem Folksong »Ballade vom Landwehrkanal«.
Ein weites musikalisches Feld voller Überraschungen
Musikalisch schreitet er ein weites Feld ab: Rock, Blues und Country finden sich ebenso wie Chanson-Momente, Rap-Anklänge wechseln ab mit Volksliedgut. Er versteht es, auch in seinen Arrangements zu überraschen: Mal untermalen Querflöten die Strophen, dann grätscht eine knurrige Slide-Gitarre dazwischen, wie in dem Song »Fledermaus«. Am stärksten sind die Americana-geprägten Songs wie der Titel »Neonschön«, der »Kotti-Song« oder »Kleines Gemütliches«, wo Sallmann den schmalen Grat zwischen kleinbürgerlicher Gemütlichkeit und grauer Sinnlosigkeit besingt.
Gewidmet ist das Album dem Multiinstrumentalisten Eberhard Baschien, mit dem Salli Sallmann schon einige Basic Tracks aufgenommen hatte, bevor der 2021 im Krankenhaus plötzlich verstarb. Es lohnt sich nicht nur deshalb, dieses Album wieder und wieder aufzulegen.
Salli Sallmann
Neonschön
erschienen bei: DuDu Records