Die Lyriker-Mannschaft von DAS GEDICHT blog mit Kapitän Jan-Eike Hornauer kommentiert die Fußball-EM unterm Eiffelturm
Alex Dreppec
Fußball gucken mit Baby auf dem Arm
Anpfiff! Im Bettchen, fern: Der Kleine weint.
Er will dabei sein, wie mir scheint.
Na gut: Dein erstes Spiel, mein Sohn,
schnell vor den Schirm, sie spielen schon.
Von Angst vorm Gegner nichts zu spür’n.
Ein Quäntchen Glück noch und sie führ’n.
Dies Tor zählt nicht. Mensch, Pech gehabt!
Der Kleine jubelt nicht! Begabt!
Er blickte skeptisch, schon davor.
Dann erst mal wickeln. Jetzt kein Tor!
Zurück zum Bildschirm heißt das Ziel,
frisch sei das Baby wie das Spiel,
da trifft Özil! Traumtor! Gut gemacht.
Der Kleine, frisch gewindelt, lacht,
lutscht Daumen mit geübtem Griff.
Dann ertönt der Halbzeitpfiff.
Nun geht es weiter. Pass auf Pass.
Das fühlt sich an wie: wieder nass.
Das geht jetzt nicht, mein lieber Sohn.
Au wei. Na gut. Ich mach’s ja schon.
Schnell eilen wir zum Spiel zurück.
Die Mannschaft hat auch wenig Glück,
Knall auf Fall ein Dienstunfall:
Boateng mit Hand am Ball!
Elfmeter, Gleichstand, alles offen.
Auch der Kleine blickt betroffen.
Alles wirkt jetzt wie blockiert.
Der Kleine lallt. Er kommentiert!
Nun dümpelt’s etwas vor sich hin.
Der Kleine schläft. Was für nen Sinn
fürs Spielgeschehen äußert er!
Auch mir fällt’s Wachsein langsam schwer.
Doch dann kommt wieder Leben auf.
Auch Müller hält jetzt richtig drauf.
Das fruchtet nicht. Zwei Tränchen fließen.
Verlängerung! Elfmeterschießen!
Das müssen wir jetzt auch noch durchstehn.
Auch der Kleine kann kaum hinsehn.
Tor vergeben, Tor gemacht,
der Kleine lallt! Der Kleine lacht!
Sieg! Hector trifft! Ins Tor hinein!
Der Kleine kotzt. Wie kann das sein?
© Alex Dreppec, Darmstadt
(zum Viertelfinal-Spiel Deutschland – Italien, 1:1 n. V., Endstand nach 18 Elfmetern im Elfmeterschießen 7:6)
Alle bereits geposteten Folgen von »Vom Leder gezogen – zur EM 2016 in Frankreich« finden Sie hier. Und selbstverständlich können Sie auch nach wie vor den kompletten Weg zum vierten WM-Titel poetisch nachvollziehen, und zwar hier: »Vom Leder gezogen – zur Fußball-WM 2014 in Brasilien«.