Die Lyriker-Elf von dasgedichtblog unter Leitung von Jan-Eike Hornauer kommentiert die Fußball-WM am Zuckerhut
Hellmuth Opitz
Aus der Reihe »Sieger« heute: Götze
Dieser Augenblick, in dem er auf dem Rasen steht: allein
mit sich und einer Kamera, die ihn umkreist,
nur wenige Minuten nach dem Spiel, versunken
in sich selbst, den Blick gerichtet auf ein fernes Selbst,
die Christus-Statue, die den goldenen Ball der Sonne hielt,
doch nein: Es ist wohl der Moment, den er noch mal
durchlebt, veratmet, jene 113. Minute, die magisch war.
Schürrle serviert ihm maßgerecht den Flankenball,
den stoppt er mit der Brust aus vollem Lauf,
legt ihn sich vor, präzise auf den linken Fuß, und schiebt
ihn volley aus spitzem Winkel in das lange Eck.
All das in einer einzigen, so flüssigen Bewegung.
Denkt er darüber nach, was er in diesem Kampfspiel war:
Der Mozart-Moment, das war er, traumwandlerisch verspielt
und sicher im Gelingen, von welchem Gott war er geküsst?
Er sieht entspannt aus und zugleich verloren, weil hier
ein ewiger Traum, den man als kleiner Junge träumt,
schwerelos in Erfüllung geht: in der entscheidenden Partie
ganz kurz vor Schluss den fulminanten Treffer setzen,
den Schuss Genialität, der seinem Team den Titel bringt.
Was wird aus einem Traum, der so scheinbar leicht,
so schön, so unverhofft sich in Wirklichkeit verwandelt?
Vielleicht ja denkt er darüber so melancholisch nach: was ihm
nach dieser magischen Minute jetzt noch zu träumen bleibt.
© Hellmuth Opitz, Bielefeld