Gedichte für Kinder – Folge 53: Acht unveröffentlichte Kindergedichte von Dagmar de Mendieta

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

 

Meine Cousine

Meine Cousine
verzieht keine Miene,
wenn sie eine Rosine sieht.
Sieht meine Cousine
eine Biene,
guckt sie mit entsetzter Miene.

Neulich stand meine Cousine
hinter der Gardine
mit ziemlich gleichgültiger Miene.
Sie blickte auf eine Schiene,
auf der eine Biene
neben einer Rosine sass.
Die Rosine
erzählte der Biene,
dass sie gestern von einer Maschine
wie von einer Lawine
fast überrollt worden war.

Neben der Schiene
stand Sabine,
eine Freundin meiner Cousine.
Als Sabine
die Rosine
mit der Biene
auf der Schiene
quatschen sah,
verzog Sabine
keine Miene
und guckte hoch zur Gardine,
hinter der eine Biene
gerade meine Cousine stach.

 

Klavierstunde

Ich
sitze
um vier
am Klavier
bei Frau Schmier.
Neben mir
sitzt ein Tier
am Klavier,
ein Stier.
Der Stier
spielt um vier
auch Klavier
bei Frau Schmier.
Der Stier
stiert mich an
und sagt zu mir:
Wie geht es dir?
Ich antworte stier:
Gut,
ich bin hier
und spiele Klavier.
Was machst du denn hier
am Klavier
um vier
bei Frau Schmier?
Du bist ja ein Tier.
Hat ein Stier
nicht sein Revier?

Der Stier
trinkt ein alkoholfreies Bier
und antwortet mir:
Keine Angst,
ich bin ja kein Ungetier.
Wenn du so glotzt,
siehst du aus wie’ n Vampir.
Bald krieg ich Angst vor dir.

 

Die Schnecke von Sabber

Der König von Kongo kocht Kohl mit Karotte.
Der Grösste von Grönland gräbt grad in der Grotte.
Der Fürst von Fürth füllt Früchte ins Füllhorn.
Der Maulheld von Mahlzahn mampft Mate mit Maiskorn.
Der Professor von Prügel probiert den Propeller.
Der Kraftprotz von Käse kämmt Käfer im Keller.
Der Freiherr von Frische friert fröstelnd am Feldberg.
Der Herbert beherbergt den Herzog im Bergwerk.
Die Baronin von Blabla blubbert Blödsinn beim Biere.
Die Schnecke von Sabber schleimt schlabbrige Schmiere.

 

Ein Elefant im Porzellanladen

Ein grosser, grauer Elefant,
ist im ganzen Land bekannt.
Weil er gern in Läden geht
und vor den Regalen steht.
Wie ein Elefantenbär,
riesig, breit und mächtig schwer.
Speziell mag er das Porzellan,
er fasst es oft und gerne an.
Alle fangen dann im Laden an zu zittern,
aus Angst, es könnte was zersplittern.

Der Elefant hebt eine Tasse elegant
mit seinem Rüssel,
setzt sie behutsam ab,
dann nimmt er eine Schüssel.
Er wundert sich,
dass alle aus dem Laden laufen.
Er wollt doch nur
zwei hübsche Kaffeetässchen kaufen.

 

Geliebter Apfel

Geliebter Apfel!
Rot wie …
Nein, nicht wie Blut.
Grün wie …
Nein, nicht wie Gras.
Innen weiss wie …
Nein, nicht wie Schnee.
Süss wie …
Nein, nicht wie Honig.
Saftig wie …
Nein, nicht wie Wassermelone.
Knackig wie …
Nein, nicht wie Kartoffelchips.
Glänzend wie …
Nein, nicht wie eine polierte Glatze.
Vergleich mich doch nicht immerzu!
Du hast ja recht,
denn du bist du.

 

Die Hitzewelle

Oh, wie lange dauert diese Welle?
Ständig Hitze, Sonne, Schweiss.
Ausgetrocknet ist die Wasserquelle,
dieser Sommer ist so heiss.

Braune Felder,
Wälder brennen lichterloh.
Wenn es endlich regnen würde,
wär ich wirklich superfroh!
Würde freudig durch die Pfützen springen
und ein Loblied auf die Erde singen.

Drum, liebe Wolken!
Schüttet reichlich aus der grossen Regentonne!
Es wäre eine wahre Wonne.

 

Der Himmel blau

Wenn ich in den Himmel schau,
seh ich schönstes, helles Blau.
Wie in einem Himmelbett,
ziehn über mir die Wolken weg.

Tausend weisse Wattebäuschchen,
kuschelig und weich,
treiben ruhig in Gedanken
auf dem blauen Teich.

Schmeissen möchte ich mich auf diese Watte
wie auf eine dicke Hochsprungmatte.

Aber plötzlich wird das Blau zu Grau,
getränkt mit Schwarz die weissen Wattebäusche.
Alles färbt sich schmutzig-dunkelgrau,
man hört unmittelbar Geräusche.

Endlich kommt dann der ersehnte Regen,
um das Grau hinwegzufegen.
Nach kurzer Zeit ist wieder schönstes, helles Blau,
wenn ich in den Himmel schau.

 

Der tanzende Baum

Es stürmt.
Unten am Boden.
Aber ganz weit oben
sehe ich die Wipfel samtweich schwingen,
hör die Melodie der Äste,
die sie leise singen.
Entspannt und friedlich,
gar nicht stürmisch.
Von links nach rechts,
von rechts nach links.
Hin und her,
kreuz und quer.
Die Wipfel wiegen sich im Wind,
weich wie Gummi,
biegsam wie ein Gartenschlauch.
Ich denke,
der Baum könnte zerbrechen,
aber er denkt
gar nicht dran.
Rhythmisch schwingt er mit
und tanzt zur schneller werdenden Musik.
Bewegt sich voll im Takt,
rappt leise heulend abgehackt.
Der Sturm lässt nach.
Der Baum hört auf zu singen
und will nicht mehr sein Tanzbein schwingen.

 

© Dagmar de Mendieta

 

Dagmar de Mendieta ist in Nordrhein-Westfalen geboren und aufgewachsen. Sie studierte in Köln Germanistik und Romanistik und lebt inzwischen seit vielen Jahren mit ihrer Familie in der Nähe von Zürich. 2015 erschien ihr Geschichtenbuch „Traslaluna“, das von ihren drei Kindern illustriert wurde. Momentan arbeitet sie an einem neuen Kinderbuch mit dem Titel „Tagebuch eines Seepferdchens“ und einem Gedichtband für Kinder. Warum sie Gedichte für Kinder schreibt, erklärt sie so: „Wörter drücken die Bilder in unserem Kopf aus und setzen sie in Zeichen um. Kinderliteratur soll meiner Meinung nach für Kinder ein wunderbarer Rückzugsort sein, um zu träumen und sich in die Welt der Fantasie und Kreativität entführen zu lassen. Das Jonglieren mit der Sprache sowie die Verdichtung und Verknappung des Inhalts im Gedicht bereiten mir grossen Spass. Ich mag Gedichte mit einem gewissen Tempo und einem guten ‚Flow‘.“

 

 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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