Gedichte für Kinder – Folge 5: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte und ein Audio-Gedicht von Jan Koneffke

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

Bundesliga (Abstiegszone)

Der FC Siegen weltbekannt
siegt nur daheim im Siegerland

Den FC Sauerdorf verdrießt
dass er nur Eigentore schießt

Das Fußballteam von Deppenhausen
lehrt jede Gegnerelf das Grausen

Der FSV von Hockenheim
blieb vor dem Heimspiel gleich daheim

Platz eins verdient der FC Meißen
nur im Porzellanzerschmeißen

Die Spielerelf von Hohewarte
schied komplett aus mit roter Karte

Die Elf vom FC Hohenloh
floh kurz vorm Spielanpfiff aufs Klo

Der lahme Torwart von Altosten
ist im Tor der dritte Pfosten

Dem Aufsteiger aus Sachsenklee
tun zweiundzwanzig Haxen weh

Der Letztligist der Abstiegszone
spielt nur brachial und oben ohne

Herr Igel und der falsche Schein

Dummer Zufall: Tritt Herr Igel
auf nen Damentaschenspiegel

oller Spiegel schwarz und fleckig
Igel selber grau und dreckig

niemand vifer als Herr Igel
nur nicht bei nem Taschenspiegel

nimmt das Ding in Augenschein
und glaubt er sieht ein Stachelschwein

kriegt nen Schreck
und duckt sich weg
und schleunigst igelt er sich ein

wenn er seine Schnauze vorstreckt
und sich vor dem Spiegel aufreckt

macht das Stachelschwein das Gleiche
Igel bleich erstarrt zur Leiche

schleunigst igelt er sich ein
vorm nicht vorhandenen Stachelschwein

tagelang verharrt Herr Igel
reglos vor dem Taschenspiegel

bis der Magen knurrt und kneift
und Igel sich von dannen schleicht

und auch das Schwein schleicht mit Herrn Igel
aus dem Damentaschenspiegel

was soll man sagen zu den zweien
Herrn Mecki und dem Schein von Schwein

entdeckt ein Igel sich im Spiegel
denkt er an Schweine-Igeleien

Faultier-Langsam-Sprechgedicht

In den Zweigen baumelt Faultier
langsam streckt es seinen Arm aus
um sich lahm ein Blatt zu greifen
und in seinen Mund zu schieben

Sonnen rollen
Donner grollen

langsam langsam klettert Faultier
von seinem leeren Zweig ins zweite
Stockwerk sachte ohne Eile
wo es sich ein frisches Blatt nimmt

Sonnen drehen
Tage gehen

und vom zweiten in das dritte
um es bummelnd kahl zu mummeln
und vom dritten in das vierte
langsam langsam ohne Eile

Regen stricheln
Monde sicheln

mit den Wochen wird das Faultier
schwer und schwerer fett und fetter
und im Stockwerk Nummer sieben
sind die Zweige schmal und zierlich

Winde blasen
Wolken rasen

und das dicke Faultier baumelt
an dem allerfeinsten Zweiglein
das zusammen mit dem Bummel-
Mummel-Pummel splitternd abbricht

Sonne kraust sich
Urwald graust sich

kracht das Faultier Stock- um Stockwerk
in die Tiefe? Denkste! Langsam
schlaff behaglich ohne Eile
rollt es sich im Flug zur Kugel
landet weich auf Pelz und Zotteln

Urwaldpapageien motzen
Echsen glotzen
Schlangen kotzen

und das Faultier langsam langsam
nur nicht hasten
lieber rasten
schlappt von einem Ohr zum andern
grinsend bis zum Nachbarbaum

und das Lied beginnt von vorne
langsam langsam ohne Eile

Missionar in Afrika

Missionar in Afrika
stolperte mit Helm und Haar
vor zwei faule Krokodile
die sich in der Pampe sielten
grimmig Missionar anschielten

sprach das erste Krokodil:
langsam wirds mir echt zu viel
ewig Missionars zerreißen
die sich doof ins Wasser schmeißen
nichts als Gottesmannsskelette
ohne Schinkenschwabbelfette
schmutzen nur als Fliegenschiss mein
nagelneues Drittgebiss ein

sprach das zweite: du hast recht
Missionars bekomm mir schlecht
wenn sie sich in meinem Rachen
schnatternd in die Hosen machen
Amen sagen
Kreuze schlagen
halbverdaut in meinem Magen
immer noch Gebete leiern
muss ich reiern

Krokodile sachten nichts mehr
Krokodile machten nichts mehr
konnte Missionar entlaufen
und sich Haar und Hirn zerraufen
warum er in Afrika
selbst Krokodilen zu fade war

Schimpfkanonade

Zum Pupspummel ist das!
Zur nackigen Nullnudel!
Zum kababekleckerten Pavianastloch!
Zur Popelkonserve mit Knopelreserve!
Zum siebenfach pickligen Pingelfritzwerden!
Igittigste Schietschimmelpilzpampenschieterei!
Sabbelsepp!
Babbeldepp!
Rin mit dem Schnutenverschluss in die Schlabberschnuss!
Elefantischer Fliegenschiss!
Rotznasenschleimborste!
Ach du sechshundertzwanzigfach muffige Miesmuschel!
Ach du dreitausendeinhundertsiebenundsiebzigfach sabbernder Stunkstoffel!
Ach du hundert Millionen plus zweihunderttausendichweißnichtwas sulziger Sockenschweiß!
Hol dich der schmalzige Schwabbelschlumpf!
Hol dich der glatzenfetttriefende Sumpfsuckel!
Soll dich der klebrigste Kleisterkoppheister!
Mist verflixter! Jitzt hib ick in Knick in di Zinge!
Ick kinn nix mihr!

Trippeltrappeltreppe

Diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
trippeltrappel
trippeltrappel
Tritte Tritte
Schritte Schritte
Hacken Hacken
Absatz Absatz
Sohlen Sohlen
Zehen Zehen
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
tappen tappen
treten treten
hoppeln hoppeln
hopsen hopsen
stolpern stolpern
poltern poltern
toben toben
stapfen stapfen
schreiten schreiten
springen springen
kriechen kriechen
kriechen kriechen
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
Tatzen Tatzen
Hufe Hufe
Pfoten Pfoten
SAUGNAPF
SAUGNAPF
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
scharren scharren
scheuchen scheuchen
schieben schieben
zerren zerren
stoßen stoßen
seufzen seufzen
schimpfen schimpfen
keuchen keuchen
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
straucheln straucheln
taumeln taumeln
torkeln torkeln
plumpsen plumpsen
fallen fallen
rutschen rutschen
SAUGNAPF
SAUGNAPF
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
weiter! weiter!
schneller! schneller!
hochhoch! hochhoch!
hoppla! hoppla!
langsam! langsam!
Tempo! Tempo!
flitzen! flitzen!
Atempause Atempause
kriechen kriechen
kriechen kriechen
diese Trippeltrappeltreppe
diese Trippeltrappeltreppe
Stufen Stufen
Stufen Stufen
Stufen Stufen
Stufen Stufen
Stufen Stufen
Stufen Stufen
Trippeltrappeltreppes Absatz
endlich endlich
endlich endlich
Atempause

Trippeltrappeltreppe (Audiogedicht)

Die akustische Fassung des Gedichts Trippeltrappeltreppe wurde vom Autor eingesprochen und von Niklaus Lenherr 2002 für die Ausstellung »Sichten« im Nidwaldner Museum im Salzmagazin produziert (www.niklaus-lenherr.ch)

© Jan Koneffke, Bukarest und Wien

Jan Koneffke ist einer der sprachklang-begeistertsten Lyriker unserer Zeit. Ob in seinen Erwachsenen-Gedichtbänden »Gelbes Dienstrad, wie es hoch durch die Luft schoss« (1989) und »Was rauchte ich Schwaden zum Mond« (2001) oder in dem Kindergedichtband »Trippeltrappeltreppe« (2009) – immer sind seine Texte von Tempo und dem Spiel mit Wortklängen bestimmt. Alles wirkt bei ihm leicht und ungezwungen. Für seine Gedichte erhielt er u. a. den Leonce-und-Lena-Preis und den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis. Bekannt ist Jan Koneffke aber auch durch seine Romane, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Er lebt mit seiner Frau in Bukarest und Wien.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erscheint seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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