DAS GEDICHT trauert um Hans Eichhorn (1956 – 2020)

Hans Eichhorn. Foto: Volker Derlath

 

Hans Eichhorn
Schau, sagt das Kind

Schau, sagt das Kind, das ist ein großer Baum.
Der Frühling kracht in den Zapfen der Kiefern.
Und das dunkle Grün der Nadeln wandert den
Bach entlang, den Dotterblumenrain hinauf.
Den Taktstock nicht bewegen. Mit fletschenden
Zähnen trottet der Hund zurück in den Hof.

 

© Hans Eichhorn, aus: DAS GEDICHT Bd. 22 / Oktober 2014

 

 

Hans Eichhorn
Die geschrumpelten Zitronen sind das Reizwort

Die geschrumpelten Zitronen sind das Reizwort,
um kopfüber den beigen Kastenwagen aufzugreifen.

Was mag sich in seinem Laderaum befinden? Und
spielt nicht vielmehr sein unbekannter Inhalt zurück

in den Blick und zum Inbild der geschrumpelten Zitronen?
Bitte, lass mich das Ziel nicht aus den Augen verlieren!

Was für ein Ziel? Den Sprung kopfüber in den Vorrats-
speicher codierter Buchstaben, auf dass sie sich ein ums

andere Mal neu zusammensetzen mögen zu diesem
Wortlaut und zu jenem: Das Amen im Gebet: Die hin

und her huschenden Vögel im nackten Zwetschenbaum-
gezweig. Eine Evangelium schwanzwippender Begriffe.

 

© Hans Eichhorn

 

 

Hans Eichhorn
Damals, der goldgelbe Wein ließ dich

Damals, der goldgelbe Wein ließ dich

leuchten im Presshausquartier. Dein Glück, so
zusammengetrunken war nicht zu fassen.

Das Essen nicht erinnerbar, nur kräftige Schenkel,
ein milchweißer Bauch und der nachtlange Schrei.

Wir sind hausgefallen, wickeln uns in Daunen-
decken und bestellen Würstel mit Saft.

 

© Hans Eichhorn

 

 

Hans Eichhorn
Tanzschritte und der Boxkampf

Tanzschritte und der Boxkampf,
die Luftschläge in die Zimmerhaut,

in das Muskelgewebe Schriftbild.
Im Klangbild der Spielstraße die

Bodenwelle. Blick von den köchelnden
Knödeln zu den knospenden Bäumen.

Der Wind hat Papier und Kartonmüll
über die Wiese gefegt. Was ist aus der

Landkartenunterlage herauszulesen?
Ein Raketenabwehrsystem aus schneller

Farbe und entfernteren Botenstoffen,
die allesamt zwischen Vereinigtem

Königreich und Papua Neuguinea
hin- und herpendeln.

 

© Hans Eichhorn

 

 

Hans Eichhorn (1956 – 2020)

  • Lyriker aus Attersee
    Hans Eichhorn lebt als Berufsfischer und Schriftsteller am Attersee. Er erhielt zahlreiche Auszeich-nungen, u. a. den Autoren-Förderungspreis der Stiftung Niedersachsen / Wolfenbüttel (1994), den Preis der Literaturzeitschrift »manuskripte« (1999) sowie den Preis des Landes Oberösterreich für Lyrik (2005).

Der Lyriker Hans Eichhorn, Teilnehmer beim »Internationalen Gipfeltreffen der Poesie« am 23.10.2012 in München, stellt sich den Fragen unseres dasgedichtblog-Fragebogens.

Lyriker-Steckbrief

Name / Vorname: Eichhorn, Hans

Geburtsdatum: 13.02.1956

Geburtsort: Vöcklabruck

Augenfarbe: braungrün

Größe: 175 cm

Wohnort (mit Bundesland): Attersee (Oberösterreich)

Aktueller Gedichtband (mit Erscheinungsjahr, Erscheinungsort, Jahr und Verlag): Logenplatz (edition sommerfrische, Attersee / Weitra, 2010)

23 Fragen an den Lyriker Hans Eichhorn
und ein Satz zum Ergänzen

1. Wann sind Sie zum ersten Mal mit einem Gedicht in Kontakt gekommen?

Beim Geburtsschrei.

2. Haben Sie den ersten Kontakt mit Lyrik in positiver oder negativer Erinnerung?

Wie atmen.

3. Wann haben Sie Ihr erstes Gedicht geschrieben und wie lautet dessen Titel?

Beim Zahnarzt – »Beim Zahnarzt«.

4. Wo haben Sie Ihr erstes Gedicht veröffentlicht?

In »Die Rampe«.

5. Was haben Sie der Lyrik zu verdanken?

Das meiste.

6. Was treibt Sie zum Schreiben von Gedichten an?

Wasser und Wasserfälle.

7. Was macht für Sie den Reiz der Poesie aus?

Das Fallen und die Felle.

8. Ihr Lieblingsschriftsteller?

Viele.

9. Ihr Lieblingskünstler?

Viele.

10. Ihr Lieblingsmusiker?

Viele.

11. Ihr Lieblingsfilm?

Viele.

12. Ihre Lieblingsfarbe?

Türkis.

13. Ihr Lieblingswort?

Fischflugs.

14. Ihr Lieblingsvers?

»Drum! So wandle nur wehrlos / fort durchs Leben und sorge nicht!« (aus: »Dichtermut«, Friedrich Hölderlin)

15. Ihr Lieblingsgedicht?

»Hälfte des Lebens«.

16. Ihr größter Fehler?

Dummheit.

17. Was loben Ihre Freunde an Ihnen?

Die Dummheit.

18. Mit wem würden Sie gerne gemeinsam auftreten?

Mit Franzi.

19. Wem möchten Sie nicht in der Sauna begegnen?

Franzi.

20. Welcher Vorzug von Ihnen wird verkannt?

Ordnung.

21. Was war Ihr bislang schönstes Erlebnis mit einem Gedicht?

Sprachlosigkeit.

22. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Wünsche.

23. Welche Nebeneffekte im Literaturbetrieb wären für Sie verzichtbar?

Nebeneffekte.

Und zum Abschluss eine Satzergänzung:

Wenn ich nochmals auf die Welt käme, würde ich…
…sehr lange darüber nachdenken.

"Logenplatz" von Hans Eichhorn
Buchcover-Abbildung (edition sommerfrische)

 

 

 

 

 

 

 

Hans Eichhorn
Logenplatz. SommerSeeGedichte

edition sommerfrische, Attersee / Weitra, 2010
120 Seiten
ISBN 978-3-902415-15-8

 

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner.

 

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