Debüt-Band »zum Tee ein Kataströpfchen« von Guido Luft: dem normalen Leben mit Witz und Lakonie facettenreiche Verse abgewonnen

Eindrückliche und leicht zugängliche Bilder sowie eine klare, pointierte Sprache prägen »zum Tee ein Kataströpfchen«, den Debüt-Band von Guido Luft, der soeben in der Reihe »Poesie 21« erschienen ist.

Stimmungen des Alltags, des normalen Lebens greift der Lyriker in seinen Versen auf und fertigt aus ihnen Momentaufnahmen, die von Ästhetik, Witz und Lakonie zeugen. Enttäuschungen und Glücksmomente, Unbeschwertheit und Verlorenheit sind hier enge Nachbarn. Mit wenigen Pinselstrichen zeichnet Guido Luft magische Stimmungen, wenn es beispielsweise heißt: »Draußen aalt sich / die Sonne im Kaffeeduft«. An anderer Stelle zeigen sich seine Verse ganz jetztzeitig, und es wird auch nicht eindeutig behaglich, sondern mehrdeutig bedrohlich: »Die Party eskaliert / auf Twitter«. Und dann wiederum halten die Gedichte scheinbar einfach, ästhetisch bestechend und vieldeutig das Leben im Großen und Grundsätzlichen poetisch fest, wie etwa hier: »Unser Kind malt / Staub in die Wolken«. Oder wenn der Autor zum Technikwahn des Menschen anmerkt: »ein verbrannter Ikarus / macht keine gute Figur«.

So changiert die Poesie von Guido Luft zwischen Vergangenem, Zeitlosem und Jetztzeitigem, zwischen Idyll und Entfremdung, zwischen Situativem und Grundlegendem – und neben das Private tritt bisweilen auch das Politische. Kurzum: Hier nimmt einer im Alltag wahr, was Bedeutung hat, und bezieht Stellung. Der Autor formuliert aus seinem Leben heraus, das lyrische Ich wird kenntlich, ohne dass es je explizit in Erscheinung tritt. Ohne »ich« zu schreiben, nimmt er seine Standpunkte ein – und sucht im Erlebten und Gedachten stets auch das Allgemeingültige, eben jene Ebene, die uns am Ende alle angeht. Oder er gibt sich auch einfach mal nur dem Sprachspiel hin. Dann geht es wie in »Am Teich« darum, »frechen / Fröschen forsch / den Mund zu stopfen« und über die grünen Hüpfer mit höhnisch rausgestreckter Zunge zu meckern: »fürs Mückenfangen / reißen die sich längst / kein Bein mehr aus«

Deutliche Kritik, poetische Szenerien und freie Sprachspielerei

Ob Luft sich nun mit der Paarbeziehung auseinandersetzt oder dem (vorgeblichen) Dorfidyll, ob er die Kirche oder den Technikglauben kritisiert, ob er die Verlorenheit des Ichs in der Welt thematisiert und das eigene Zuhause als Rückzugsort und Ankerplatz beschreibt, ob er Sprache hart und präzise benutzt oder vergnügt mit ihr spielt: Er nimmt den Leser mit durch eine klar konturierte Welt, in eine dem Zeitgenossen vertraute Umgebung, in der man sich rasch zurechtfindet, die dabei aber auch im Ernsten und Vergnüglichen Überraschendes bereithält.

Luft beschwört die »schnelle / Wirkung des Worts«, und er weiß sie zu nutzen, dabei ist ihm jedoch auch durchaus bekannt, »wie mühsam / an Wahrheiten zu kauen« sein kann. Beides will und fordert er. Er scheut die prosanahe und pathetische Wendung nicht – etwa wenn er formuliert: »nur du gibst alles / was ich zum Leben brauche« –, wenn sie eben genau trifft, was er sagen will. Und er vermag sie dann noch ins poetisch Neue und Elegante zu wenden, wenn er zum Beispiel in » No tengo nada« fortsetzt: »was wir sind reicht aber über / unsren Horizont hinaus«.

Verloren in der Welt, aufgehoben in Liebe und Familie

Die Nacht ist für Guido Luft eine Zeit des Rückzugs, der Zurückgeworfenheit auf sich selbst. In der Art, wie der Autor die Nacht wahrnimmt, zeigt sich besonders klar, was auch sonst immer wieder deutlich wird: Im Gemeinsamen fühlt er sich aufgehoben, dann heißt es etwa »unsere Nacht / lichtet den Anker«; ist er alleine, geht’s um Furcht und die Verlorenheit des Ichs in der Welt, dann ist die Nacht nicht Sinngeber, sondern schrecklich, denn »Narben / gehen nicht schlafen«. Es erlöst erst die »Morgenluft / die Furcht verpufft«. Dann lässt sich auch der neue Tag wieder genießen – und vielleicht verleitet er ja gar zu ausgelassenem Sprachspiel, dann drehen sich die Verse wie in »Am Teich« darum, »frechen / Fröschen forsch / den Mund zu stopfen«.  (jeh)

 

Leseproben:


Auf der Straße

ohne Schirm zu spät
heute morgen durchnässt
die Zeitung gerollt so rinnen
Schlagzeilen in den Kanal
ewig rot die Ampel

Der Mann auf dem Pflaster
recht schief und ein stumpfer
Blick sein Lächeln zuckt
über meine Münze mit der
kommt er nicht weit
seine Tristesse schleppe ich
durch den ganzen Tag

Wieder daheim
seh ich so vieles
das ich nicht brauche

———

 

Tagesmenü

Morgens
ein Omelett à la Zeitungsente
zum Tee ein Kataströpfchen
im Radio »Mord in den Tag«

Als Mittagstisch
reicht eine gesalzene
Buchstabensuppe
dazu Nachrichtensalat
um die Siesta zu vergällen

Abends dann
das Dinner bei Nebelkerzen
wieder deutsches Allerlei
angesengte Polit-Haxen
aus dem globalen Brandherd
ohne CO2-Dunstabzug

Finaler Roter mit kurzem
Abgang

———

 

Getrieben

Flug um Flug
Sitze durch
gesessen

In der Fremde
nur Städte
aus Sand und
Scherben

Das reicht mir
nicht

Zuhause
hinter der Tür
wartest Du

warst immer
schon da

 

Der Autor:

Guido Luft wurde 1955 in Karlsruhe geboren und lebt heute in Ettlingen bei Karlsruhe. Nach dem Studium der Mathematik und Physik war er viele Jahre als Logistik-Berater in der Industrie tätig. Seit 2016 widmet er sich ganz dem Schreiben von Lyrik. Seine Gedichte wurden bereits in mehreren Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht, zuletzt in »Das Gedicht 26. Der poetische Dreh« und in »Poesiealbum neu. Vom Glück«. Guido Luft ist Mitglied der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik in Leipzig.

Guido Luft liest im Lyrik Kabinett, München. Entstanden ist das Portrait im Rahmen der Präsentation von DAS GEDICHT 26 (Wende-Ausgabe) im März 2019. (Foto: Anton G. Leitner)

 

 

Das Buch:

Guido Luft
zum Tee ein Kataströpfchen
Gedichte
70 Seiten, Broschur
EUR 12,80 [D]
Verlag Steinmeier
Deiningen 2019
ISBN 978-3-943599-66-4
www.Poesie21.de

 

 

 

 

Zur Reihe:

In der Reihe »Poesie 21« kommen zeitgenössische deutschsprachige Gedichtbände heraus, die bemerkenswert erscheinen. Sie ist als Forum zur Förderung neuer Poesie gedacht und hat inzwischen über 100 Titel vorzuweisen: mit »zum Tee ein Kataströpfchen« steuert Guido Luft Band 101 bei. »Poesie 21« wird vom Verlag Steinmeier herausgebracht und federführend durch den Herausgeber Anton G. Leitner umgesetzt, der bereits über 40 Anthologien in Premiumverlagen wie der dtv-Verlagsgesellschaft und bei Reclam realisiert hat. Seit 1992 ediert er die Zeitschrift DAS GEDICHT.

 

Weiteres Info-Material:

Buch-Seite im Webauftritt der Reihe »Poesie 21«
Waschzettel zu »zum Tee ein Kataströpfchen«

 

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