Fremdgehen, jung bleiben – Folge 29: Sebastian Balcerowski

Poesie ist nicht nur Wort. Poesie ist Leben, das sich ständig erneuern muss. Doch was heute noch neu und fremdartig erscheint, gehört morgen schon zum Altbewährten. Junge Lyrik beschreibt den Raum dazwischen. Deshalb wagt Stefanie Lux in Nachfolge von Leander Beil an jedem 8. des Monats in der Kolumne »Fremdgehen, jung bleiben« einen freien Blick auf das kulturell und sprachlich Andere, das vermeintlich Fremde in der noch jungen Textwelt.

 

Draußen prasselt der Regen an die Fenster meiner Münchner Wohnung, gestern kitzelte noch die slowenische Sonne meine Haut. Es ist unausweichlich. Der Sommer ist vorbei und damit auch die kleine Sommerpause dieser Kolumne. Um sich der Melancholie des Abschieds vom Sommer und des Übergangs zum Herbst vollends hinzugeben, möchte ich heute Sebastian Balcerowskis Bild-Gedicht »Danach« vorstellen.

Zunächst bin ich von der Idee begeistert, Fotografie und Poesie zu mischen. Es handelt sich dabei natürlich um keine weltbewegend neue Idee, aber so ist es bei alten Rezepten. Die gleichen Zutaten in etwas anderer Zusammensetzung ergeben ein komplett neues Gericht:

 

Danach

© Sebastian Balcerowski, Fürth. Foto: Daniel Wanke

 

Im Sommer beschweren wir uns über die Hitze, die vielen Baustellen. Die Stadt ist heiß, der Asphalt wird weich, überall Baugerüste und Umleitungen. Aber jetzt bedecken Wolken den Himmel. Der Regen hat die Welt abgekühlt. Das Gefühl, dass alles möglich ist, was der Sommer mit sich bringt, schwindet langsam. Doch auch, wenn nun die Sonne wieder für einige Tage hervorbricht ‒ ihre Kraft reicht nicht mehr aus, um die Erde bis zur Nacht zu erwärmen. Die Blätter sind noch grün, bald werden sie noch einmal in schönsten Farben erstrahlen, um dann abzusterben. Sommer und Herbst, die Übergangszeit.

Sie bedeutet das Ende des Sommers, aber sie läutet auch eine neue Phase ein. Denn um Neues entstehen lassen zu können, muss Altes sterben. Damit die Sonne wieder erstrahlt, der Regenschirm getrost zu Hause bleiben kann und man die Wärme und die Hoffnung wieder schätzt, braucht es manchmal ein heftiges Gewitter und die kalten Stunden. Dann kann im Sommer wieder an Plänen gefeilt werden, können neue Baustellen entstehen.

 

Sebastian Balcerowski verbrachte seine Kindheit und Jugend im Städtedreieck Nürnberg‒Fürth‒Erlangen. Er studierte Pädagogik, Philosophie, Medien, Ethik und Religion in Nürnberg und begann 2016 ein Zweitstudium der Bibliothekswissenschaft in Hamburg und Potsdam. Er schreibt und veröffentlicht erzählende Texte, Lyrik und Sachtexte. Seit 2017 postet er Gedichte in Kombination mit einem Foto auf dem Blog nachdenker.info.

 

Stefanie Lux. Foto: privat
Stefanie Lux. Foto: privat

Stefanie Lux, geboren 1987 in Kaufbeuren, Studium der Germanistik, Politikwissenschaften, Geschichte, Literatur- und Kulturtheorie in Gießen und Tübingen, lebt in München.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Fremdgehen, jung bleiben« finden Sie hier.

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