Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.
Der Hirsch
Im Wald der Hirsch er röhrt und röhrt
Im Wald läuft alles so verkehrt
Nichts ist so wie immer immer
Alles wird nur schlimmer schlimmer
Der Winter klagt: Wo bleibt der Schnee?
Der Sommer kommt nicht, klagt das Reh
Im Frühling bleibt der Fuchs im Bau
Und aus dem Herbst wird keiner schlau
Im Wald der Hirsch ist sehr verstört
Im Wald, ob ihn da einer hört?
Der Grashalm
Ein Grashalm in der Wiese steht
Wird jeden Samstag abgemäht
Doch weil er das Wachsen nicht lassen kann
Fängt er wieder von vorne an
Der Schreihals
Ein Schreihals wollte gerne singen
Wie ein Vöglein wollt er klingen
Er war am Drücken und am Ächzen
Heraus kam leider nichts als Krächzen
Kleine Amsel, sei so gut
Und hilf mir doch in meiner Not
Meine Frau, die schimpft auf mich
Ich wär zu laut, das mag sie nicht
Die Amsel spricht, so ist das Leben
Nicht jedem ist Gesang gegeben
Mach es doch so wie die Kröte
Kauf dir lieber eine Flöte
Die Kuh
Die Kuhuhuu, die Kuhuhuu
Die steht auf einem Stuhuhuuhl
Und singt in aller Ruhuhuu
Muhuhuhuu, muhuhuhuu
Der Papageiheihei
Der legt ein Eiheihei
Der legt ein Eiheihei
Da warens zweiheihei
Der Wahahaal, der Wahahaal
Braucht einen Schahahaal
Denn ohne Schahahaal
Wär er ganz kahahaal
Der Pfauhauhau, der Pfauhauhau
Ist eine arme Sauhauhau
Hat leider einen Hauhauhau
Und wär doch lieber schlauhauhau
Ein Flohohoo, ein Flohohoo
Sitzt auf einem Pohohoo
Und hat ein Risikohohoo
Geht der Po aufs Klohohoo
Tiergedicht
Grau vom Scheitel bis zur Sohle
Aber schlau, das ist die Dohle
Es pennt bei Tage mit Behagen
Das Faultier aus der Stadt Steinhagen
Ein Igel macht sich keine Sorgen
Kommste heut nicht, kommste morgen
Hör ich´s krächzen in der Nähe
War‘s wahrscheinlich eine Krähe
Wer schlürft die Suppe aus der Schüssel?
Der Elefant mit seinem Rüssel
Es schmeckt vorm großen Kampf dem Stier
Kurz vorher noch ein Weizenbier
Klettern auf den großen Turm
Traut sich nicht der Regenwurm
Wer futtert Fisch um sechs Uhr früh?
Die Robbe schafft das ohne Müh
Fröhlich putzt der Wiedehopf
Seine Federn auf dem Kopf
Ein Maulwurf buddelt in Dortmund-Hörde
Lauter Löcher in die Erde
Ein Zebra kriegt niemals genug
Trägt selbst am Tag ‘nen Schlafanzug
Sack Reis
Ein Sack Reis ist weggelaufen
Dabei kam er viel herum
Castrop, Schweden, Oberstauffen
Und in China fiel er um
Trippel trappel trippel trappel
Trippel trappel trippel trappel
1000 Füße trappeln
Trippel trappel trippel trappel
Auf dem Weg nach Datteln
Schnippel Schnappel Schnippel Schnappel
1000 Füße schnaufen
Schnippel Schnappel Schnippel Schnappel
Haben sich fast verlaufen
Pippel Pappel Pippel Pappel
1000 Füße trappeln
Pippel Pappel Pippel Pappel
Hoch auf eine Pappel
Wippel Wappel Wippel Wappel
Als sie dann ganz oben stehn
Wippel Wappel Wippel Wappel
Ist von Datteln nix zu sehn
Dippel Dappel Dippel Dappel
Das ist ihnen doch zu dumm
Dippel Dappel Dippel Dappel
Und sie kehren wieder um
Schickedatz
Schickedatz, der alte Eimer
Hat im Leben viel erlebt
Und das weiß nun wirklich keiner
Was alles in so´n Eimer geht
Steine, Äpfel, Pflaumen, Kohlen
Gips und für die Schuhe Sohlen
Hühnereier, Spätkartoffeln
Gänsefedern, Filzpantoffeln
Stachelbeeren, Erbsen, Möhren
Messer, Gabeln, Löffel, Scheren
Alte Schokoosterhasen
Oder Dünger für den Rasen
Tomaten, Joghurt, Salz und Nudeln
Fingernägel, Weihnachtskugeln
Schwarze Lappen, bunte Tücher
Rosinenstuten, dicke Bücher
Mandarinen, Apfelsinen
Pampelmusen, Clementinen
Kerzenwachs und Hülsenfrüchte
Zipfelmützen für die Wichte
Das ist alles lange her
Eimer Schickedatz ist leer
Zwischen Löwenzahn und Klee
Ruht er nun am Baggersee
Braucht in seinen alten Tagen
Nichts mehr schleppen oder tragen
Jetzt genießt er seine Rente
Dient als Wohnung einer Ente
© Günter Rückert
Günter Rückert wurde 1952 in Löningen bei Oldenburg geboren, lebt aber seit 1954 in Dortmund, ist hier aufgewachsen und zur Schule gegangen und eigentlich ein Kind des Ruhrgebiets. Hier machte er sein Abitur und studierte in Bochum Germanistik und Geschichte. Schon während des Studiums war er als Maler und Zeichner aktiv und gründete mit Freunden zusammen das Rocktheater Nachtschicht. Nach dem Studium entschied er sich endgültig für den Beruf des freischaffenden Künstlers, sowohl als Autor als auch als Maler und Zeichner. In den letzten Jahren entdeckte er die Lust, Kindergedichte zu schreiben. Eine Reihe dieser Gedichte sind für den WDR 5 Kinderkanal produziert worden und 2019 in dem von ihm selbst illustrierten Buch „Sind Fische wasserdicht?“ erschienen. „Ich liebe an den Gedichten für Kinder die wunderbare Freiheit, meine Fantasie spazieren gehen zu lassen, mich und das Kind in mir zu überraschen. Es ist ein Spiel mit Worten, Witz und einer unbezahlbar schönen Leichtigkeit.“
Uwe-Michael Gutzschhahn
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.