Gedichte mit Tradition, Folge 162: »Feuer«

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer

 

Hans-Werner Kube

Feuer

ach dass doch bald ein Feuer fiele
auf Pfandleihhaus und Börse, Bank
auf Sportpalast und Brot und Spiele
die höchsten Türme, rank und schlank

auf Elendsviertel, Luxusschlitten
auf Tempel und Altar und Schrein
auf Einkaufsparks und neue Mitten
auf jedes Unrecht, jeden Schein

ach dass doch bald ein Feuer quölle
aus tausend Quellen tiefer Qual
ein Feuer mitten aus der Hölle
das flöss vom Berg hinab ins Tal

in Schützengräben, die nichts schützen
in Minenfelder, wo nichts sprießt
auf Landgewinne, die nichts nützen
auf jedes Blut, das man vergießt

ach dass doch bald ein Feuer brennte
in meinem Herzen, meinem Geist
das reines Gold von Schlacke trennte
das schmölze, was so lang vereist

das neu die Glut in mir entfachte
die Glut, die unter Asche ruht
erst flackernd, leise, sachte
dann lodernd, voller Wucht und Wut

 

© Hans-Werner Kube, Witten
 

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Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.

3 Kommentare

  1. Zum Gedicht “Feuer” von Hans-Werner Kube
    Respekt vor kunsthandwerklichem Geschick: die Verse sind in klassischer Manier geschmiedet – so, wie ich es mag. Doch die pauschale, fast manichäische Verdammung der ach so weltlichen Sündenpfuhle ist wohlfeil. Sie widerspricht Ingeborg Bachmanns Richtschnur, einer vermeintlichen Pointe nicht die halbe Wahrheit zu opfern: Was wäre denn, wenn ein (reinigendes?) Feuer Elends- und Luxusviertel verbrennen würde? Letztlich ist der lyrische Gestus bar und bieder. Wucht und Wut als Pointe? Erschreckend simpel, nontranszendent und nicht im Geringsten anregend. Kube kann’s – das signalisieren die Verse. Aber hat er’s auch drauf?

    1. Mögliche Lesart: Welterneuerungsfantasie. Aber statt menschengemachter „Stahlgewitter“ wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts wird jetzt die Stimmung der Friday-for-future-Apokalypse (die Natur schlägt zurück) eingefangen. Genug Transzendenz? Und dann ist da auch noch die Sache mit dem lyrischen Ich.

  2. Sehr geehrter Herr Wilmer, erwischt. Ich bin ein simpler Mensch. Bieder auch. Manchmal wütend. Fragen Sie meine Frau. Wer ist eigentlich Ingeborg Bachmann? Okay, das war jetzt Understatement. Aber bei den etwa 200 Gedichtbänden, die ich bei mir herumstehen habe, ist Bachmann nicht dabei. Und von Bachmanns Richtschnur habe ich noch nie etwas gehört. Gilt die allen? Vom Theologiestudium her habe ich dunkel etwas von den Manichäern in Erinnerung. Ist aber auch schon lange her. Das mit den Manichäern. Wissen Sie was? Ich bin ein Spieler. Ein Wortespieler. Ein Versespieler. Ein Reimespieler. Ein Schauspieler. Mal depressiv. Mal pathetisch. Mal larmoyant. Mal lärment. Erwarten Sie nicht zu viel.

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