»Ach, schon ist es September«: An diese Worte, an dieses Motiv aus »Siebenbürgische Elegie« von Adolf Menschendörfer knüpft Johannes Zultner an. Damit bezieht er – selber im Ursprung rumäniendeutscher Schriftsteller, heute in München ansässig – sich auf eines der bekanntesten Werke der Siebenbürger Literatur. Ähnlich wie hierzulande und heute noch Mörikes flatterndes blaues Band einem jeden ein Begriff ist, war in Siebenbürgen, das einst über eine beeindruckend prosperierende deutschsprachige literarische Schaffenswelt verfügte, die »Siebenbürgische Elegie«, von Menschdörfer 1927 verfasst, quasi jedem bekannt und vertraut.
Johannes Zultner nun aktualisiert sie nach rund hundert Jahren deutlich – oder besser gesagt: stellt ihr ein anderes, sein eigenes Bild gegenüber, denn Zeit und Ort sind ja radikal verwandelt, und dies sorgt freilich für einen Wechsel in vielem: Menschendörfer bemüht im Alt-Dörflichen verhaftete Bilder, da geht es um rauschende Brunnen, der Väter Gebein, Torwappen, Korn, Wein und Märzenwind. Die Metrik ist dabei sauber, die Paarreime sind es auch. Kurzum, es ist ein traditionelles Gedicht (das problemlos auch zweihundert, dreihundert oder mehr Jahre früher hätte entstanden sein können). Dem Zeitlosen verhaftet sind auch seine zentralen Motive und Stimmungslagen, die er eben aus dem ländlich geprägten Siebenbürgen jener Zeit herausgreift: Morbidität und Heimatverbundenheit, Hingabe an die Natur und den Himmel müssen hier etwa als bestimmend gelten.
Zultner nun geht mit einem Blick, der an jenem von Menschendörfer geschult ist, durch seine Welt, durch das heutige München. Und er verwendet modernere Mittel der Dichtung, entscheidet sich für Prosanähe statt strenger Metrik mitsamt Endreimen und rigiden Strophenformen, für eine klare und sachliche statt einer offensiv kunstvollen und emotional aufgeladenen Sprache. Elemente der heutigen Zeit finden Eingang, insbesondere das Auto als dominierendes Ding, und es wird das städtische Milieu statt des dörflichen beschrieben. Wobei Zultner hier aber in diesen Belangen durchaus zurückhaltend ist: Auch seine Verse bleiben recht überzeitlich und dazu lokal auch nur ausgesprochen bedingt zu verorten. Ihm liegt es ebenso am Grundsätzlichen wie Menschendörfer. Nur ist sein Blick auf die Welt eben ein anderer – maßgeblich auch, weil seine Welt eine andere ist.
Der bedeutendste Unterschied zu Menschendörfer jedoch liegt nicht in der Motivik an sich, nicht in den formalen und stilistischen Mitteln, nicht in einer an sich veränderten äußeren Welt, sondern in Stimmungslage und Aussicht: Endet Menschendörfer mit einem Ausblick auf eherne Zeitläufte im Kosmischen Maßstab, auf Ende und Ewigkeit, einem transzendenten, den Menschen übersteigenden und düster-ohnmächtigen Bild, so trifft bei Zultner der Mensch letztlich im Hellen versöhnlich auf sich selbst. Der Biergarten ist das Paradies. Er kann die Vergänglichkeit, welcher der Mensch sich bewusst ist, vergessen resp. annehmbar bis zauberhaft machen, und das ist auch gut so: Der Mensch ist mit sich im Reinen und auf unabsehbare Zeit hier am richtigen Patz. Er hat ganz diesseitig seinen Locus amoenus gefunden – und darin sich selbst, was ihn erfreut.