Gleich zwei Monumente deutschsprachiger Poesie aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert hin hat Karin Jacob sich für ihr »Im Park« vorgenommen, um sie auf engstem Raum und im Zeichen einer besonderen Blume, der Aster, zu kreuzen: Stefan Georges »Komm in den totgesagten Park« von 1897 – dessen weitbekannten Eingangsvers Jacob v. a. nutzt, den sie für ihren Gedichtanfang variiert – und Gottfried Benns »Kleine Aster« von 1912.
Dabei führt sie deren eigentümliche Mischung fort aus Morbidität und letztem Hoffnungsfunken – der zwar schon zum Verlöschen verurteilt ist, jedoch auch für ein positives, versöhnliches Ausleuchten des Untergangsbildes sorgt. Ja, dieser letzte Hoffnungsfunke verleiht diesen drei Momentaufnahmen eine besondere Zartheit, und man gibt sich ihnen gerne hin, bei allem zutiefst Dystopischen, das ihnen inhärent ist. Man geht sozusagen hingegeben sowie sehnsuchtssatt unter – und damit befinden sich alle drei genannten Gedichte auch in direkter Nachfolge der Epoche der Romantik. Diese wiederum ist ohnehin erneut ganz zeitgemäß: Der Untergang resp. Tod klopft permanent an, die Welt des Privaten, Zurückgezogenen hat immens an Wichtigkeit gewonnen, und Leben und Natur sind ein Großthema.
Und eben diese Gegenwärtigkeit des Romantischen, dieser großen literarischen und gesellschaftsbefindlichen Tradition, macht auch die Nachbildung von Karin Jacob besonders interessant: Sie greift auf Ästhetizismus / Symbolismus (George) und Expressionismus (Benn) zurück sowie auf die den Vorlagenversen eingeschriebene romantische Motiv- und Stimmungslage – und überführt all dies in die Gegenwart, in die Zeit von Fridays-for-Future et al., doch ganz ohne sich an jene Bewegungen festzukleben oder sich allgemein irgendwo konkret verorten zu lassen. Ihr kurzes Poem passt damit ins Jetzt, erscheint zugleich aber auch zeitlos.
Gottfried Benns »Kleine Aster« lässt sich etwa hier bei »SWR2 – Literatur« nachlesen (Benn ist 1956 gestorben, damit kann sein Gedicht hier knapp noch nicht einfach mit widergegeben werden, gemeinfrei werden Texte 70 Jahre nach dem Tod des Autors): https://www.swr.de/swr2/literatur/broadcastcontrib-swr-31204.html. Die Vorlage von Stefan George hingegen lässt sich gleich hier an Ort und Stelle dem interessierten Leser, der geneigten Leserin anbieten. Sie lautet:
Stefan George
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade ·
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb · das weiche grau
Von birken und von buchs · der wind ist lau ·
Die späten rosen welkten noch nicht ganz ·
Erlese küsse sie und flicht den kranz ·
Vergiss auch diese letzten astern nicht ·
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.