Inspirieren lassen hat sich Carl Reiner Holdt für sein »Elegie« von Friedrich Hölderlin. Und dies nicht nur hinsichtlich der allgemein romantischen Stimmungslage, des mystischen Anklangs und der Grundsätzlichkeit in der Szene, die doch recht eigentlich keine Szene ist, sondern eher auf eine umfassende Beschreibung der eigenen Beziehung(slosigkeit) sowie des menschlichen Alleinseins an sich zielt – wobei der Mensch hier jedoch Trost und Halt in Höherem findet, wenn schon nicht in der Paarbeziehung, im menschlichen Gegenüber an sich (hier funktioniert das nur in Rückschau und Sehnsucht, in der illusorischen Projektion vielleicht auch, im Faktischen ergibt sich der dauerhafte Halt jedoch gerade nicht).
Hauptsächlich bezieht sich »Elegie« dabei konkret auf Hölderlins »Menons Klagen um Diotima« sowie dessen »Chiron«. Dies gilt unter anderem, da der Eingangsvers von Holdts »Elegie« in Motivik und Wortwahl dem Beginn des erstgenannten Vorbilds entnommen ist sowie der Schlussvers dem Ende des zweiterwähnten. (Zudem findet sich das so auch dort benannte Motiv der »erstaunenden Nacht« ebenfalls in Hölderlins »Die Nacht«, das später auch in sein »Brot und Wein« eingegangen ist und somit überdies in seinen Zyklus »Nachtgesänge«. Wenngleich dort die entsprechenden Worte recht weit auseinander stehen – in der Überschrift und im letzten Vers, das Gedicht mithin quasi einklammernd, ebenso wie Holdt nun seine Hölderlinübernahmen verwendet. Klar unterstrichen wird durch die Präsenz in seinem Werk jedenfalls: Dieses Motiv hat Gewicht bei und für Hölderlin.)
Menons Klagen um Diotima
1.
Täglich geh ich heraus und such ein anderes immer,
Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh erbittend: so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm,
Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher;
Nicht die Wärme des Lichts und nicht die Kühle der Nacht hilft,
Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
Und wie ihm vergebens die Erd ihr fröhliches Heilkraut
Reicht und das gärende Blut keiner der Zephyre stillt,
So, ihr Lieben, auch mir, so will es scheinen, und niemand
Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum?
[…]
(Der vollständige Text findet sich etwa in Dr. Heike Possels Online-Lyrikanthologie auf gedichte7.de: https://www.gedichte7.de/menons-klagen-um-diotima.html)
***
Die Nacht
Rings um ruhet die Stadt. Still wird die erleuchtete Gasse,
Und mit Fackeln geschmückt rauschen die Wagen hinweg.
Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen,
Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt
Wolzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,
Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.
Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß
Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann
Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen
Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.
Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,
Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.
Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,
Sieh! und das Ebenbild unserer Erde, der Mond,
Kommet geheim nun auch, die schwärmerische, die Nacht kommt,
Voll mit Sternen, und wol wenig bekümmert um uns
Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen
Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.