Humor in der Lyrik – Folge 51: Robert Gernhardt (1937 – 2006) „Ein gutes Wort ist nie verschenkt!“

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

 

„Was ist der Unterschied zwischen einer Weinflasche und Gefühlen? – Die Weinflasche muss man aufmachen, Gefühle muss man zulassen …“ – solche Antworten auf weltbewegende Fragen gab er sich immer wieder, wenn ihn der Kalauer packte. Seine Gedichte sind auf Klowänden verewigt und werden in Uni-Seminaren erörtert. Er schaffte mühelos den schwierigen Spagat zwischen Kalauer und Kunst: „Ich weiß nicht, was ich bin. / Ich schreibe das gleich hin. / Da hab’n wir den Salat: / Ich bin ein Literat.“ Seine Geistesgefährten sind Größen der komischen Literatur wie Wilhelm Busch, Christian Morgenstern, Heine und Tucholsky. Robert Gernhardt besaß die Gabe, angesichts des „grassierenden Irrsinns und Tiefsinns via Sprachspiel und Doppelsinn Scheinsinn zu erzeugen“.

Nach dem Studium der Malerei und Germanistik kam er, der Sohn eines Richters, 1964 nach Frankfurt am Main, wo er mit F.W. Bernstein, F.K. Waechter, Eckhard Henscheid und anderen die „Neue Frankfurter Schule“ mitbegründete, die den Humor im Nachkriegsdeutschland nachhaltig prägte. Zusammen mit Waechter und Bernstein gehörte er mit der Kolumne „WimS“ – „Welt im Spiegel“ – zu den Star-Autoren der Satirezeitschrift „Pardon“ und ab 1979 zu den Gründern der „Titanic“, bei der er als Zeichner und Versetüftler mitwirkte.

Robert Gernhardts wichtigste Körperteile, mit denen er dachte, hörte, sah, roch und sprach. Skizze: Alfons Schweiggert
Robert Gernhardts wichtigste Körperteile, mit denen er dachte, hörte, sah, roch und sprach. Skizze: Alfons Schweiggert

Spaß hatte Gernhardt während seiner Arbeit für „Pardon“ an der Verwendung von mehreren Pseudonymen. Er nannte sich Herr Kin, Lützel Jeman, Paul H. Burg, Arthur Klett oder Alfred Karch oder auch Norbert Gamsbart. Von den Ansichten, die diese Gestalten äußerten, konnte er sich bei Bedarf jederzeit distanzieren. Auch als Pointen-Lieferant für den Spaßvogel Otto Waalkes war er sich nicht zu schade, denn neben hintergründigem Witz blieb ihm die Gnade des Blödelns nicht versagt, auch wenn er im poetischen Sturzflug bisweilen die Schallmauer des Trivialen durchbrach.

Anfang der 80er Jahre gelang ihm der Durchbruch vom Nonsens-Dichter zum anerkannten deutschen Autor, aus dessen umfangreichem Werk vor allem die Gedichte, durchwachsen mit kluger, wohlabgewogener Bosheit und absurdem Witz, herausragen. Dazu gehören neben Erzählungen, Bildergeschichten, Humoresken und Essays auch ein Bühnenstück – „Toskana-Therapie“ – und der Roman „Ich Ich Ich“. Es gab nichts, was dieses „Genie der Leichtigkeit“ in seinen Gedichten, Balladen und Couplets nicht thematisierte.

In den nahezu 50 Buchveröffentlichungen mit Titeln wie „Besternte Ernte“, „Wörtersee“, „Lichte Gedichte“, „Hell und Schnell“ vermischte er „hehre Inhalte und schnöden Jargon“, wie er sagte, ebenso, wie schnöde Inhalte mit hehrem Jargon. Er gernhardtelte sich einfallsreich und scharfsinnig mit Witz und Humor durch alle nur denkbaren menschlichen Themen. Seine Bemühung, dem deutschen Humor endlich einen eigenen, herausgehobenen Platz unter den hohen Künsten zu verschaffen, trug reiche Früchte.

Bevor Robert Gernhardt im Alter von 69 Jahren viel zu früh verstarb, witzelte er über den Tod: „Ach, noch in der letzten Stunde / Werde ich verbindlich sein. / Klopft der Tod an meine Türe, / ruf ich geschwind: Herein! // Woran soll es gehn? Ans Sterben? / Hab ich zwar noch nicht gemacht, / doch wir werd’n das Kind schon schaukeln / na, das wäre ja gelacht!“

"Das große Lesebuch" von Robert Gernhardt
Coverabbildung (S. Fischer Verlag)

 

 

 

 

 

 

Eine umfassende Auswahl aus dem Gesamtwerk dieses begnadeten Dichters bietet „Das große Lesebuch“, in dem Robert Gernhardts wichtigsten und schönsten Gedichte, Essays, Geschichten und Cartoons versammelt sind. Diese ideale Einführung in sein Werk ist im Fischer Verlag erschienen.

 

 

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

 

Ein Kommentar

  1. Ich habe eine Ergänzung für den ‘Kant’ gedichtet, die, wie ich hoffe, im Sinne von Robert Gernhardt gewesen wäre.
    …und er sprach die schönen Worte:
    Gibt es hinterher noch Torte?
    Dies zeigt uns im ganz Genauen
    Philosophen sind die Schlauen.

    Mit freundlichen Grüßen
    H.Hösl

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