»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.
Silke Andrea Schuemmer
Brüten Fledermäuse?
Man munkelt schon, die Dodos kehren nach Neukölln zurück,
und das Wasser fließt ganz klar durch unseren Kanal.
Gegen Muezzins sind viele Eingeborne noch, aber
dass der Nachbar allabendlich wie ein Wettermännchen
auf die Balkontribüne tritt und die Pflegekraft besingt,
ist solidarisch und gesund, da klatschen wir
– ganz leise nur, damit die Fledermäuse ungestört
den Brütvorgang vollziehn. Brüten Fledermäuse?
Wer‘s nicht weiß, hat jetzt die Zeit, das nachzusehen.
Nie war‘n die Farne so getränkt, das Grün zerplatzt am Fensterglas,
nie war‘n die Schienbeine so liebevoll gecremt.
Und diese Stille, die füll ich mir, wenn ich zu viel von allem hab,
in Tupperdosen ab. Die kann ich öffnen, wenn das Leben wieder tobt.
Ich halte dann mein Ohr an diese eingefrorne Zeit und höre:
Nichts.
© Silke Andrea Schuemmer, Berlin
Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.
Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.
Bleiben Sie gesund!
Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.