Lockdown-Lyrik 2.0 / 044: »Wir sind vier« von Maka Ldokonen

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer für die Mitherausgeberschaft bei Folge 1-154).

 

Maka Ldokonen

Wir sind vier

Vier sind wir, leben in einem U-Boot:
Kakha, Maka, Mariam und Luka.
Wir haben eine neue Zeitrechnung, seitdem in unserer Familie das Virus ausgebrochen ist,
entsprechend ist es hier bei uns der 6., der 4., der 3. und der 2. Tag.
Vorher ist es uns offenbar ungewöhnlich gut gegangen,
wir waren nicht direkt im siebten Himmel,
aber in unserem siebten Stock konnten wir gut atmen.
Offenbar war die Freude, die uns das Leben bereitete, nicht genug.
Wie zufällig wurden wir vom Wasser überschwemmt
und die Wellen trieben uns fort, in eine Richtung ohne Ziel.
Dann haben wir uns auf Kajüten verteilt
und durch die Bullaugen erstaunt nach draußen geschaut.
Wir haben gelöscht,
abgelehnt,
weggestrichen
eine Menge von Punkten aus unseren so gut geordneten Lebensplänen,
nur unsere Namen stehen noch dort.
Von der Welt da draußen bekommen wir viele Genesungswünsche,
unter anderem von einer Ärztin, die wir niemals gesehen haben,
sie verspricht uns, dass wir bald das Ufer erreichen.
Um uns herum befinden sich mehrere U-Boote auf Tauchfahrt.
Manchmal denke ich,
wenn wir alle zusammen ein Lied singen könnten,
wären wir schneller an den gewünschten Orten.
Go ahead, Mr. Parker, volle Kraft voraus!

 

© 2020 Maka Ldokonen, Tiflis, Georgien
(Interlinearübersetzung Bela Chekurishvili,
Nachdichtung und Redaktion: Sabine Schiffner)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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