Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.
Er erfordert Kondition, dieser Advent. Nicht nur, weil man täglich ein Türchen am Adventskalender öffnen muss und das sonntägliche Kerzenritual nicht fehlen darf. Nein. Diese Vorgänge sind für einen echten „Vollgasvorweihnachtler“ ja nur Nebentätigkeiten. Der Advent ist heutzutage ein Event. Los geht’s mit dem Vorglühen am Glühweinstand, der natürlich auch heiße Cocktails, Feuerzangenbowle, Glühbier und heißen Likör anbietet. Dazu empfehlen sich klassische kulinarische Spezialitäten wie Bratwurst- oder Steaksemmel, Schupfnudeln, Fischsemmeln, Lebkuchen, Currywurst, Pommes, Kaiserschmarrn, Döner, Schokofrüchte und andere leichte Happen für zwischendurch. Im Weihnachtszelt dröhnen Christmas-Sounds ans Ohr, die zwischendurch von schrägen Flötentönen minderjähriger Musikanten durchkreuzt werden, während draußen hundertfach selbst gefilzte Sinnlosigkeiten, Christbaumschmuckimitat aus China und Designer-Krippenfiguren feil geboten werden.
In der Lounge-Ecke werden Shishas in Betrieb genommen, um den modernen Weihnachtsmärchen der örtlichen Performance-Künstlerin entsprechend folgen zu können. Danach tritt der Chor der Kleingärtner auf und im Anschluss gibt es eine faire Modenschau im Winterstall, die nahtlos in die Vorführung der neuesten Kaffeevollautomaten am Stand des Hauptsponsors der Eislauffläche übergeht. Und das war jetzt nur das kulinarisch-kulturelle Programm des Weihnachtsmarkt-Eröffnungsabends. Noch nicht besucht wurden die Ausstellung der örtlichen Selbsthilfe-Töpfergruppe, die Kleintierschau und das Benefiz-Eishockeymatch zwischen Stadtrat und Geschäftsleuten. Der Höhepunkt der Vorweihnachtszeit ist dann die Tombola mit der Vergabe des Hauptpreises – einem 500 Euro Getränkegutschein für sämtliche Weihnachtsmarktbuden im Umkreis von 5 Kilometern und ein Monatsticket für den Stadtbus. Unverkennbar: Jetzt ist die „staade“ (= ruhige) Zeit angebrochen (die im Übrigen ursprünglich eine Fastenzeit war). Na dann, Prost allerseits!
Alle Jahre wieder
Am Weihnachtsbaum die Kugel baumelt
darunter die Verwandtschaft taumelt
woran sich gut erkennen lässt:
auch diesmal war’s ein frohes Fest.
© Melanie Arzenheimer, Eichstätt
»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als freiberufliche Journalistin, Autorin und Hörfunkmoderatorin.
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