Poesietransfer III:
Vier Dichter aus Australien

In dieser unregelmäßigen Reihe wird der deutsch-amerikanische Lyriker Paul-Henri Campbell Blicke über die Sprachgrenzen werfen und internationale Stimmen in deutscher Übersetzung präsentieren.

In dieser Folge präsentieren wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Cordite Poetry Review (Australien) Gedichte von Ann Vickery, Tim Wright, Michelle Leber, und Elizabeth Campbell.

Vier Dichter und Dichterinnen aus Australien

übersetzt von Paul-Henri Campbell

Noch so ein restaurierungsbedürftiger Chardin

von Ann Vickery

nach Frank O’Hara

Vorgesorgt ist vorverloren,
eine gebremste Illusion, die mich ewig hielt
schau den silberblättrigen Hintergrund an.
Was einer zinnroten Meeresfläche glich,
dem Werk flinker Götter, die sich um
Nasenpuder stritten und Licht. Sprunghaftes Bild
als Schwere des schäumenden Meers, die oberflächliche Wonne
ein Anderer zu sein, tagelang.
Was immer nicht dort war, kann kaum schwinden:
also wozu den unbeholfenen Kuss bereuen
über dem Zigarettenetui,
nachdem du dich entschieden hast
sitzen zu bleiben und die Wasserrüben zu reinigen?
Jemand trägt Farben auf im grellen Nachmittagslicht,
doch meine Gefühle sind weiterhin wirr.
Jede Erinnerung hat dasselbe Genre,
gesittete Empfindsamkeit,
und doch kaum zu unterscheiden in der übervölkerten Welt.
Ist es wichtig, wer die läppende Finsternis vermessen kann,
da du doch einst alles warst,
zurückkehrend hinab in die Toten-Zone, ein Feldherr des Stilllebens,
das hängt an der Spitze des Frontsegels.

Ann Vickery lehrt Literaturwissenschaft an der Deakin University. Sie ist die Autorin von »Leaving Lines of Gender: A Feminist Genealogy of Language Writing« (2000) sowie »Stressing the Modern: Cultural Politics in Australian Women’s Poetry« (2007). Sie war Hauptherausgeberin von HOW2, eine Zeitschrift für innovative Literatur und Literaturwissenschaft über Frauen und hat zahlreiche Gedichte in australischen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht.

Schwindender Atem und Seidenblumen

von Michelle Leber

in der Stimme von Fanny Elizabeth de Mole (1835-1866),
die das erste Florilegium zu Südaustralien veröffentlichte.

Kennen die Blumen das Leiden – ich muss daran denken,
da ich Knospen schneide von den Rispen einer Sturt Desert Pea.

Schwarze Äuglein auf zinnroten Mäntelchen hineingelegt
in die Botanisiertrommel mit den Lederschnallen meiner Tante.

In der Dämmerung sind sie meine kreischenden Begleiter.
Ich zeichne sie aufs Papier.

In der Früh, ist’s nicht genug
die Leiden des Körpers spiegeln die Kunst –

Klümpchen meines blutfleckigen Katarrhs
fallen ein über die Weiden eines Schnupftuchs.

*

Blumen, wie so manche Menschen, die unvertraut sind
mit Schmerzen, existieren in der Leere des Zwielichts.

Betrachte jene unter den Geringeren,
die weder Leiden erleben noch Liebe.

Ist die Seligkeit einfachhin ein Sklave der Illusion?
Frag den gelbgespitzten Farn nach Feuer, sähe nach dem Sturm.

Mein Körper wird jeden Büschel hinnehmen, eingetaucht in Stolz
und traurige Gespräche auf andere Wiesen bringen.

Hinsetzen, wo die Wahrheit selten zu Besuch ist,
jene, die ein ebenförmiges Leben führen.

Täglich suche ich sie auf, die jaulende Weide,
schlaue Schatten tanzen und schweben –

wo Beweise fürs Versagen und Triumph liegen
in einem himmlischen Gewölbe aus gewöhnlicher Erde.

Michelle Leber lebt in Melbourne, nahe dem Strand von Port Philip Bay. Sie hat in zahlreichen Zeitschriften veröffentlicht und war hat 2009 das LongLines poetry residency in Varuna wahrgenommen. Ihr Gedichtband »The Weeping Grass« erschien 2010. Aufgrund der Detailfreudigkeit ihrer Lyrik wurde sie häufig mit David Attenborough by the richness of verglichen. Gegenwärtig arbeitet sie an einem erzählenden Langgedicht über den sagenhaften Gelben Kaiser von China (Huangdi).

Patina

von Tim Wright

Ich habe einen Strich durch den Ruß gezogen
und einige Partikel blieben an meinem Finger kleben,
die übrigen verschmierten auch. Es würde keine
Träume geben, die erneut geträumt werden,
vielleicht Tagträume, Farbtupfer konnte ich sehen,
hinter dem Rahmen, ein namenloser Vogel auf einer Antenne,
irgendwer zählte rückwärts von Tausend
in einer fremden Sprache. Und als die Frage kam,
war sie von der Person, die neben mir saß (von der Unsichtbaren),
dem Piraten; und der Raum erstarrte vor Erwartung
und nach jedem atemberaubendem Adjektiv. Gewiss,
die Stadt war in Schwierigkeiten. Nein, UHU patafix war keine
Lösung und konnte uns nicht schützen
vor dem Tapeteneffekt oder alte Sümpfe erschließen.
Uns war bewusst, dass sich photographische Momente ereigneten
als unsere Augen aufgingen und versuchten, sie festzuhalten
und sie erneut hervorzubringen: irgendetwas mit Armaturen,
ein Interieur aus dem Kalten Krieg, in dem man sich
Pärchen vorstellen konnte, die Oz lasen und Kaffee schlürften
Mit einer jungen und schönen Marcia Langton
vor der Demo, damals als
es wirklich kalt war und tagelang regnete.

Tim Wright lebt in Melbourne, wo er unter anderem liest und Gedichte schreibt. Gegenwärtig arbeitet er an einer Abschlussarbeit über zeitgenössische australische Dichtung.

Gangart

von Elizabeth Campbell

Es ist ein Kniff des Körpers, der Tonfall
des Körpers, den wir nicht hören
bis wir Fremde sehen: jene
Äußeren, die uns hineinverschrecken

Körper zu haben, den Scat-Sang zu hören,
sooft das Kind hereinkommt
ins Zimmer unmerklich fehl am Platz:
ein schleppendes Tapsen, die Arme bar jeder Koordination.

Dieser Knabe steht, schlägt
auf deine Zehen zum Reden
zu laut in einem falschen Akzent.
Verschrecken schaut zu

heimgegangener Philip Larkin gehe
schneller im Film als du denkst
hinab die schwarz&weiß
Regale, sein Kopf eingeschaltet. Die Schauspielerin verschluckt sich

auf der Bühne als sie anfängt
jenem Klang zu lauschen, des Körpers tiefe
Seinsklage angeschaut und sich darin windend.
Körper könnte horchen

rückhorchen vielleicht aufmerksam wie der Hund, der schläft weiter
auf deiner Türschwelle, deine Träume zuckend
oder das Pferd von dem du glaubst
es spüre deine handrissigen Nerven – und nicht darauf pfeift.

Eine Kassette von zehn Weibern, die fortgehen
einsam den Gang hinab, im Knast gezeigt
den Psychopathen. Such sie einen Loser aus: Sie wählen alle
unfehlbar, das eine Mädchen bereits vergewaltigt.

Du gehst hinaus und tust in deinem Kleid
hoffnungsvoll so als könntest du geliebt werden,
doch wir alle sehen sofort wie du gehst.
Der Tänzer sagte: »als ich ehedem

diese Bewegung aufführte
ohne Makel, fühlte es sich an wie nichts.«
Ich schreibe darauf los
Elizabeth in meiner linken Hand.

Elizabeth Campbell wohnt in Melburne. Ihre beiden Gedichtsammlungen »Letters to the Tremulous Hand« und »Error« sind bei John Leonard Press veröffentlicht. Sie hielt sich 2010 in Folge des Vincent Buckley Prize in Irland auf. 2011 nahm sie das Aufenthaltsstipendium in Rom des Australia Councils an. Elizabeth ist in der Lehrer- und Bildungsberatung für Poesie tätig.


Alle Beiträge auf dasgedichtblog von Paul-Henri Campbell finden Sie hier.

Diese Übersetzungen werden Ihnen von Paul-Henri Campbell präsentiert. Campbell ist 1982 in Boston (USA) geboren und schreibt Lyrik sowie Prosa in englischer und deutscher Sprache. Gedichtbände: »duktus operandi« (2010), »Space Race. Gedichte:Poems« (2012). Er ist ebenfalls Übersetzer und Mitherausgeber der internationalen Ausgabe der Lyrikzeitschrift DAS GEDICHT (»DAS GEDICHT chapbook. German Poetry Now«). Soeben erschienen ist »Am Ende der Zeilen. Gedichte | At the End of Days. Gedicht:Poetry«.

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