von Sabine Zaplin
Vielleicht liegt es daran, dass sie früher in ihrem Brotberuf Zahnärztin war: Renate Schön besitzt den richtigen Biss, um die Themen der Gegenwart poetisch aufzugreifen. Seit vielen Jahren bearbeitet sie all das, was ihr begegnet und vor die Augen kommt, mit den Mittel der Lyrik. So ist über die Zeit ein Werk entstanden, dem beides gelingt: in aller Ruhe gereift und gleichzeitig überraschend jung zu sein. Es ist kaum zu glauben, dass sie heute, am 30. März, wirklich schon 90 Jahre alt wird.
Neuer Gedichtband – Tradition und Frische
»Noch bin ich nicht angekommen«, heißt ihr gerade, passend zum Jubeltag erschienener Gedichtband. Es ist die Essenz eines ertragreichen Dichterinnenlebens. Tatsächlich wird Renate Schön hinsichtlich der Form immer knapper, verdichtet und reduziert ihre Gedichte bis zur Letztgültigkeit. Gleichzeitig wird der Tonfall auf wunderbare Weise lakonisch, ohne dabei das Feld der Poesie zu verlassen. Ein Gedicht wie »Abstand halten« beispielsweise nimmt Bezug auf eine in der Pandemie gewonnene Tugend: »Der Neugierde Raum geben / Dem Liebgewonnenen / nahe sein / Ohne es zu berühren.« An anderer Stelle setzt sie sich schreibend in den Kontext der jahrhundertealten lyrischen Tradition der Naturgedichte und legt diese für sich in ihrem ureigenen Ton aus, wie in »Zurückdenken«: »Es war letzten Herbst, über Kies zur / Wiese hinterm Haus, fast lautlos, // ungedüngt, eine Wildnis, wohl zeitgemäß, / darin Zukunft ihren Samen streut.« Und schließlich gelingt es Renate Schön immer wieder, sich auf eine erfrischend jugendliche Weise mit der Endlichkeit auseinanderzusetzen: »Los geht’s // Hänge am Klebenand / vielwertiger Phantasie / spreize mein Gewissen / überlese die Präambel / zittere mit meiner / Zeitmaschine / erwarte das Richtfest.«
Wahrhaft lagerfähige Gedichte
Ein ganzer »Rucksack voll Wünsche« möge für Renate Schön zu ihrem großen Geburtstag in Erfüllung gehen! Ihren Leserinnen und Lesern hat sie mit dem neuen Gedichtband jedenfalls schon einen Wunsch erfüllt: eine Aus-Lese an wahrhaft lagerfähigen Gedichten.
Bibliografische Daten:
Renate Schön
Noch bin ich nicht angekommen
Verlag Steinmeier & Co.
Reihe Poesie 21
80 Seiten, Broschur
€ 12,80 [D], März 2021
ISBN 978-3-943599-83-1
Waschzettel zum Buch als PDF:
»Der Wind hat meine Worte mitgenommen« – Informationsblatt zum neuen Gedichtband
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