Gedichte für Kinder – Folge 67: Sechs Gedichte von Kindern

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

 

Laura Depperschmidt

Ein Mausgedicht

Eine kleine graue Maus
trippelt piepsend in ihr Haus.

Kaufte Käse, Wurst, Tomaten,
auf den Mais muss sie noch warten.

Der Mäuserich wird eingeladen,
mit ihm kommen Festoblaten.

Dann wird gesungen und gespielt,
sodass ein jeder sich gut fühlt.

Am Abend ist die Maus ganz müde,
obwohl sie gern noch feiern würde.

Der Mäuserich ist lang schon satt
und nach der Feier völlig matt.

Er sieht die Maus an etwas bang,
weil ihm der Heimweg ist zu lang.

Sie sagt: Dann bleibe doch bei mir.
und baut mit ihm ein Nachtquartier.

Dort wird noch lang herumgequakt,
bis doch der Schlaf an ihnen nagt.

 

 

Niclas Schüller

Pyjamaparty

Die Sonne geht unter,
alle bleiben munter!
Wir ham Spaß und wir sind laut,
bis der Morgen graut!

 

 

Anna Brandes

Pumaspatzen und Frauenglatzen

Manche Frauen tragen Glatzen,
viele schnarchen, wenn sie ratzen.

Manche Frauen haben Tatzen,
mit denen sie wie Pumas kratzen.

Es gibt Frauen, die viel schwatzen,
manche schimpfen wie die Spatzen.

Ziehen dabei böse Fratzen,
bis sie fast vor Ärger platzen.

Andre lieben grüne Katzen.

 

 

Laura Depperschmidt 

Der Schlüssel

Den Schlüssel an der Seite,
guckte Emma in die Weite.
Der Schlüssel klimperte und klunkerte,
was Emma gar nicht wunderte.
Denn am Schlüssel hingen:
Feen mit wundervollen Schwingen,
Pferde, davon eine ganze Herde,
Fotos von Emma und ihrer Schwester
auf einem waren sie in Manchester.
Wundervolle Erinnerungen,
die Emmas Gedanken verschlungen.

Ja, so viel Fantasie
hast du mit einem Schlüssel bei dir!

 

 

Niclas Schüller

Die Mütze

Ich fahr durch ne Pfütze,
Futsch ist meine Mütze,
Liegt jetzt in der Grütze!

 

 

Simon Rock

Natur

Das Gras ist grün.
Die Sonne scheint.
Die Fische platschen.
Der Wind bläst.
Der Himmel ist blau.
Die Pferde galoppieren.
Die Wölfe heulen in der Nacht.
Die Sterne glitzern im Mondlicht.
Die Vögel zwitschern.
Das Feuer knistert.
Die Blumen blühen.
Das Wasser plätschert.
Der Wald ist grün.
Die Biene summt.
Die Mücken stechen.
Der Bär brüllt.
Der Hirsch rast heran.
Der Elch verliert sein Geweih.
Der Otter schwimmt.
Die Fledermäuse flattern.

So wär es gut.

 

 

© bei den Kindern

 

 

Im Dezember 2017 habe ich zum ersten Mal hier in der Kinderlyrikreihe vorgestellt, die nicht von erwachsenen Autorinnen und Autoren geschrieben wurden, sondern von Kindern selbst. In der Zwischenzeit bin ich vielen weiteren Kindern begegnet, habe in Schulen jede Menge Workshops gemacht und viele Gedichte daraus für meinen neuen Lyrikband „MÄUSEKINO. Ein Versfest für Kinder“ gewonnen, der im September erscheint. Einige Kinder haben mir aber noch weitere Gedichte zugeschickt. Laura Depperschmidt lernte ich im Sommer 2019 bei einer Lesung in der Stadtbücherei von Waldkraiburg/Bayern kennen. Das hier abgedruckte Maus-Gedicht schrieb sie mit 10 Jahren, das zweite Gedicht mit 11.

Simon Rock traf ich ebenfalls 2019 in Berlin an der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule. Sein Gedicht für den Blog schrieb er ein Jahr später. Und mit Anna Brandes aus München habe ich während der Corona-Krise einen Online-Lyrikworkshop ausprobiert, bei dem ihr Gedicht „Pumaspatzen und Frauenglatzen“ entstand. Anna ist inzwischen wie Simon zehn Jahre alt.

Niclas Schüller ist deutlich jünger als die drei anderen. Seine Mutter traf ich an der Ludwig-Maximilians-Universität in München bei einem Vortrag und sie erzählte mir von Niclas und seiner Begeisterung für Gedichte. So bat ich sie, mir ein paar Texte von ihm zu schicken. Niclas hat die hier vertretenen zwei Gedichte mit 6 Jahren geschrieben.

Ich danke allen vier Kindern für die Gedichte und ihren Eltern für die Erlaubnis, sie im Blog vorzustellen.

 

Uwe-Michael Gutzschhahn

 

 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert