Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.
Die Grippen
Die Grippen schleichen sich heran.
Die Grippen sagen niemals: wann.
Die Grippen sehen häßlich aus.
Die Grippen sind in Stadt und Haus.
Die Grippen sagen: Hab ich dich.
Die Grippen sind mitleidig nich.
Die Grippen sagen: Medizin
die halt ich aus, die nehm ich hin.
Die Grippen machen Gliederschmerz.
Die Grippen haben nicht ein Herz.
Die Grippen machen: Nase läuft.
Die Grippen wolln: daß Tee man säuft.
Die Grippen machen müd und matt.
Wohl dem, der keine davon hat.
Die Grippen kommen und sie gehn.
Die Grippen, nein, sie sind nicht schön.
Was man hört
(wenn man sich die Ohren zuhält)
Sabbel, sabbel, sabbel.
(Man hört nur ein Gebrabbel.)
Sebbel, sebbel, sebbel.
(Man hört nur ein Gebrebbel.)
Sibbel, sibbel, sibbel.
(Man hört nur ein Gebribbel.)
Sobbel, sobbel, sobbel.
(Man hört nur ein Gebrobbel.)
Subbel, subbel, subbel.
(Man hört nur ein Gebrubbel.)
Der Indianer
Der Indianer jagt das Tier.
Das Tier ist da und doch nicht hier.
Das Tier hat sich weißwo versteckt
wobei es seine Zähne bleckt.
Der Indianer weiß genau:
Das Tier ist wild, das Tier ist grau.
Das Tier duckt sich im Hinterhalt
wobei es seine Krallen krallt.
Der Indianer schleicht sich an.
Das Tier faucht wie ein Tier das kann.
Der Indianer schreit vor Schreck.
Das Tier springt auf. Dann ist es weg.
Am Ende ist wohl, strenggenommen
Die Katze wieder Paul entkommen.
Unglaubliche Geschichte
Es war ein Tag, es war April
als (batsch!) die Sonn‘ vom Himmel fiel.
Pit nahm die Sonne in die Hand
und dachte: Das gibt Sonnenbrand.
Den gab es aber (prima!) nicht.
Trag mich herum, die Sonne spricht
und lag in Pitters Hand ganz kühl.
Pit trug sie sanft, daß sie nicht fiel
und alle Leute, die das sahn
die starrten Pit, die Sonne, an.
Wenn das nur gut geht, sagten sie.
Geh aufrecht Pit und streck die Knie!
Nun ist es gut, die Sonne sprach
und sie ging unter kurz danach.
Seitdem erzählt man die Geschicht.
Die einen glaubens, andre nicht.
Ballade
Sieben, sieben Siamkatzen
leckten ihre Siamtatzen.
Da kam leise, eins, zwei, drei
Misch, die Milchkatze vorbei.
O nein! Wie sieht die denn aus!
Grau und weiß! Fast wie ne Maus!
Lachten sieben Siamkatzen
leckten ihre Siamtatzen.
Da hat Misch im Dreck gescharrt.
Matsch und Modder trafen hart
sieben, sieben Siamkatzen
und die saubern Siamtatzen.
O nein! Wie seht ihr denn aus!
Grau und weiß! Fast wie ne Maus!
© Erbengemeinschaft Peter Maiwald, Erkrath
Peter Maiwald starb 2008 im Alter von 62 Jahren. »Der Misere unserer Zeit hielt er unbeirrt sein Gedicht entgegen, dem drohenden Zerfall die Form und die Schönheit. Darin liegt die tiefste Aktualität der Verse …«, schrieb Marcel Reich-Ranicki zum Tod des Dichters in der FAZ. Maiwald veröffentlichte Prosa- und Gedichtbände, schrieb Hörspiele, Drehbücher, Reportagen und Texte fürs Kabarett. Neben seinen Erwachsenengedichten, die ihn bekannt machten, veröffentlichte er auch zwei Lyrikbände für Kinder, die noch immer Maßstäbe setzen: »Die Leute von der Annostraße« (1979) und »Die Mammutmaus sieht wie ein Mammut aus« (2006). Beide Bücher sind leider nur noch antiquarisch zu haben.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.