Gedichte für Kinder – Folge 11: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Susan Kreller

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Ansprache eines Kieferorthopäden an einen Vampir

Beim Blick auf Ihre werten Zähne,
verzeihen Sie, dass ich’s erwähne,
da kann ich’s Ihnen nicht verwehren,
Sie orthopädisch zu beehren.

Bedenken Sie, wie Ihr Gebiss ist,
und dass es leider großer Mist ist!
Und wenn ich auch ganz kurz jetzt gähne,
mein Herr, ich bitt Sie: Ihre Zähne!

Zu spitz, zu scharf, zu weiß, und seitlich,
da stimmt die Größe auch nur leidlich.
Oh, nicht doch, nicht doch, keine Bange!
Sie kriegen eine Kunststoffspange.

Der Eckzahn rechts ist’s, der mich stört,
und auch der linke, unerhört!
Ich werde gleich mit Gipsabdrücken
Ihr seltsames Gebiss entzücken.

Was werden Sie denn jetzt so blasse?
Und – haben Sie ‘ne Krankenkasse?
Moment, wie? Ich versteh Sie nicht!
Behandlung nur bei Kerzenlicht?

Nun, wie auch immer. Pflegen Sie
die Spangenzähne gründlich. Wie?
Na, putzen Sie besonders mutig
und essen Sie Ihr Steak nie blutig!

Bevor Sie jetzt von dannen ziehn,
bekommen Sie noch den Termin
für – Hilfe!, halt!, was machen Sie?
Zu Hilfe!, auf-
hörn!,
aua,
i —
 

Geräusche, nachts

Wenn ich nachts im Dunkeln liege,
schlaflos meine Daumen biege,
tropft aus unserm Wasserhahn
schönster süßer Sauerrahm.

Wenn ich nachts im Dunkeln wache,
leise schimpfe, weine, lache,
knarret laut im Treppenhaus
eine leicht betrunkne Maus.

Wenn ich nachts im Dunkeln lausche,
Schafe zähle, Schafe tausche,
rumpeln, pumpeln nebenan
Zuckerstangen, meterlang.

Wenn ich nachts im Dunkeln fluche,
wütend meine Träume suche,
klopft an meine Zimmertür
ein Spaghettisoßentier.

Spät im Traume kann ich sehn,
Dinge, die mir morgen blühn:
Soßentier und Sauerrahm,
Zuckerstangen, Maus-Alarm.
 

Klein sein

Groß bist du geworden, Kind.
Neulich noch, da warst du so.
Ach, was bist du groß geworden!
Groß bist du geworden, Kind.

Nein, wie bist du nur gewachsen!
Meine Güte, groß bist du!
Winzig warst du letztes Mal.
Nein, wie bist du nur gewachsen.

Ganz erwachsen siehst du aus.
Gott, wie hast du dich verändert!
Wenn ich noch an damals denke.
Ganz erwachsen siehst du aus.

Ach, wie riesig du jetzt bist.
Hätt dich beinah nicht erkannt.
Kind, du bist so groß geworden.
Ach, wie riesig du jetzt bist!
 

Wie kann man nur Franz-Xaver heißen

Ich will es
mal so
sagen:

Wenn ich schon
deine Turnschuhe sehe
grau und ausgelatscht.
Wenn ich
deine Ausreden höre
morgens nach 8.

Schrecklich,
wie du mit den
Pausenbroten
und den
schlimmen Wörtern
Fußball spielst.

Oh Gott!
Und dann noch
dein Name!
Wie kann
man nur
Franz-Xaver heißen?

Peinlich, wenn man dich
aufruft
und du fragst:
Was?
Welche Primzahl?

Ein Glück, dass du
weit weg –
Wie, was?
Eis essen?
Du und ich?
Ja, klar!
 

Limerick

Ein Fischer aus Frechen bei Köln,
der sagte: Mein Freundchen, Sie sölln
nicht verscheuchen den Hecht,
denn sonst wär ich ja schlecht
der Fischer aus Frechen bei Köln.
 

Unterwasser-Limerick

Ein U-Boot aus Brandenburg-Nord
trug Vögel und Fische an Bord.
als ein Heringsweib floh,
dachte kühn es: Ach so,
das U-Boot aus Brandenburg-Nord.
 

© Susan Kreller

Susan Kreller studierte Germanistik und Anglistik und hat mit einer Arbeit über deutsche Übersetzungen englischsprachiger Kinderlyrik promoviert. Aus dieser Arbeit ist eine umfassende Anthologie mit vielen Gedichten aus dem 20. und 21. Jahrhundert entstanden, die von Henning Ahrens und Claas Kazzer übersetzt wurden. Das Buch erschien 2013 unter dem Titel »Der beste Tag aller Zeiten. Weitgereiste Gedichte«. Es war bereits das zweite Buch von Susan Kreller, das für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Erhalten hat sie den Preis schließlich 2015 für ihren Roman »Schneeriese«. Sie lebt mit ihrer Familie in Bielefeld.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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