Gedichte für Kinder – Folge 3: Vier unveröffentlichte Kindergedichte von Michael Roher

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Bon Appetit!

Eine faule graue Taube
schmauste Trauben in der Laube.
Da kam von links die schwarze Katz,
was Unglück bringt,
jedoch die Taube in der Laube
tat das ab als Aberglaube
und blieb sitzen faul am Platz.
Pech für die Taube,
Glück für die Katz!
 
 

Schlecht getroffen

Kam neulich ein Tapir zu mir
und bat um ein Portrait von sich.
So brachte ich mit schnellem Strich
zu Papier das edle Tier.
Nur glich die Zeichnung, ich gesteh’
nicht dem Tapir, mehr einem Reh.
 
 

Geheimrezept

Der Pizzamann von nebenan,
Fritz Francesco heißt er,
ist – so man Gerüchten glauben kann –
weltbester Pizzabäcker-Meister.
Heute auf dem Speiseplan:
seine Pizza Capriciosa Curiosa extragroß,
mit Schinken, Käse und Tomaten,
Basilikum, Tomatensauce
und den Spezialzutaten,
die da wären: Blattspinat,
Essiggurken, Senf, Frittaten,
Vanillepudding und Salat.
Bei tausend Grad im Ofen braten,
dann Himbeersaft darüber leer’n,
zur Garnierung Ohrenschmalz,
Nasenpopel, Gummibär’n
eine Prise Zaubersalz,
Zehennägel, frischer Lauch,
aber auch ein feiner Hauch
von Majoran und Estragon,
vielleicht vom Lauch noch etwas mehr.
Aus der Küche duftet’s schon,
nur das Restaurant bleibt leer.
Warum, weiß keiner.
 
 

Flug und Zug

Ein Vogel mit zwei Storchbeinen
fuhr bisweilen gerne Zug
und man konnte sogar meinen
er kriege davon nie genug.
Doch eines Tages merkte er,
sowohl im dichten Stadtverkehr,
als auch über lange Strecken,
an Kreuzungen und Häuserecken,
beim Linksabbiegen, Rechtsabbiegen,
viel flexibler als die Bahn
ist es einfach selbst zu fliegen.
 
 

© Michael Roher, Baden (Österreich)
 
 

Michael Roher wurde in Niederösterreich geboren und lebt mit seiner Familie in Baden bei Wien. Seine Leidenschaft gilt dem Zirkus, deshalb arbeitet er viel als Spiel- und Zirkuspädagoge mit Kindern und Jugendlichen. Außerdem dichtet und zeichnet er und bekommt in diesem Monat den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis überreicht. Über seine Arbeit sagt er: »Es macht mir immer wieder Freude, Bilder aus dem Kopf aufs Papier zu bringen und damit Geschichten zu erzählen.« Das tut er auch in seinen Gedichten. Zu den wichtigsten Lyrikbänden von Michael Roher zählen »6, 7, 8. Gute Nacht« (2011) und »Wer stahl den Wal?« (2013), die beide im Wiener Luftschacht Verlag erschienen sind.
 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erscheint seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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