Gedichte für Kinder – Folge 4: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Manfred Schlüter

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Der traurige Regenbogen

Der Regenbogen ist betrübt:
Er ist total verbogen.
Du glaubst nicht, dass es so was gibt?!
Dann hab ich halt gelogen.
 
 

Eins zu null!

Was ist das nur
vor meiner Tür?
Sieht aus wie ein
Alliga … tür?

Moment, die Tür
gleicht einem Tor.
Dann ist’s wohl ein
Alliga … tor!
 
 

Sitz!

Ein Herr mit Namen Schmitz,
der sprach zu seinem Spitz:
„Fritz,
sitz!“

Der Spitz mit Namen Fritz
hielt das für einen Witz
und flitz-
te blitz-
schnell

weg.
 
 

Der Schaumschläger

Herr König wollte eine Krone,
denn dieser König, der war ohne.

Mit Schaum vorm Mund und wildem Blick
pflügt er seitdem die Meere,
damit der Schaum zu seinem Glück
ihm Schaumkronen beschere.
 
 

Der wissbegierige Ochse

Mo, Di, Mi und Do,
Frei und Sa und So …
und immer war der Ochs dort.

Mo, Di, Mi und Do,
Frei und Sa und … oh!
Am Sonntag war der Ochs fort.

Man sagt, er sei in Oxford
und studiere … Boxsport.
 
 

Der seltsame Brief

Eine Rolle Klopapier,
gut vierhundert Blatt,
habe ich von acht bis vier,
und kein andrer hat

Blatt für Blatt für Blatt beschrieben,
bei Mondenschein, bei Sonnenlicht,
mit Worten, Wörtern (mehr als sieben!),
aus denen so viel Liebe spricht.

Doch die Rolle ist verschwunden,
rollte gestern fort.
Hast du sie vielleicht gefunden?
Ist sie vielleicht dort,

dort bei dir? Dann nimmst du sie
und liest Blatt für Blatt für Blatt
all die lieben Worte, die
jemand aufgeschrieben hat.

Diese Worte sind für dich,
sind für dich nur ganz allein.
Und geschrieben habe ich.
Schreib mal wieder – würd mich freu’n!
 
 

© Manfred Schlüter, Hillgroven
 
 

Manfred Schlüter ist Bürgermeister von Hillgroven, einem Dorf an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Aber eigentlich ist er Maler, Illustrator und Schriftsteller. Als Maler hat er berühmte Bücher von Michael Ende, Boy Lornsen und vielen anderen illustriert. 1983 wurde ihm der Friedrich-Hebbel-Preis zuerkannt und 2006 der Friedrich-Bödecker-Preis. Zudem erhielt er Auszeichnungen der Stiftung Buchkunst sowie der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Volkach. Seine schönsten Gedichte finden sich in dem Band „Reime-Eimer“ aus dem Jahr 2006, der leider nur noch antiquarisch oder beim Autor zu bekommen ist.
www.manfred-schlueter.com
 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erscheint seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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