Gedichte für Kinder – Folge 60: Fünf Kindergedichte von Franziska Röchter

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Paradiesbauer

Kommt, wir wollen Bäume pflanzen,
auch Sträucher, Blumen, Hecken.
Wir wollen mit Hallodria
die Lebensgeister wecken.

Kommt, wir bauen Schattengärten
für Käfer und für Schnecken.
Wir züchten einen ganzen Wald,
wo sich die Farne recken.

Kommt, lasst uns den vielen Vögeln
neuen Nistplatz geben.
Wir pflanzen Birken, Buchen, Eichen,
und für uns alle Reben.

Kommt, wir machen uns die Erde
ganz neu mit vielen Arten.
Wir schaffen uns ein Paradies!
Wir woll’n gleich heute starten.

 

Windmaus

Wenn es draußen pfeift und weht
und Pustefix die Felder mäht,
wenn Wolkenschäfchen galoppieren
und mir beginnt der Po zu frieren,
wenn Blätter denken, sie sind frei:
Dann ist der Sommer wohl vorbei.

Wenn nachts die Sterne kühler blinken
und draußen Gülleäcker stinken,
wenn plötzlich Hagel niederschlägt
und Wiesen sind mit Dampf belegt,
wenn zur Gardine weht dein Haar:
Dann sind zwei Drittel um vom Jahr.

Wir kuscheln uns ins Sofa-Nest
und träumen schon vom Lichterfest.
Wir warten auf den Jahresschluss,
weil dann was Neues kommen muss.
Wir träumen, wenn wir schmusen, schmiegen,
dass wir im Wind zum Himmel fliegen.

 

Koffer packen

Hemden falten, Schlappen suchen.
Kuscheldecke, Schmusetuch.
Sockenpärchen-Schwund verfluchen.
3 x Hex: das Lieblingsbuch!

Schnorchel, Flossen, Thermomatte,
Kompass, Federball für’n Sand.
Taschenlampe, Ohrenwatte,
Violettas Freundschaftsband.

Dicke Jacken, dünne Jacken,
Winterrolli, Regenfrack.
Nackenhörnchen, Schlafattacken.
Hm, der schöne Vorgeschmack!

Plötzlich! Da! Welch ein Gewinsel!
Wurde etwas nicht bedacht?
Rex will auch mit auf die Insel.
Wenn der in die Koffer macht!

 

Schatzsuche

Ich wohn’ in einem großen Haus
und habe doch kein Bett.
Auf deiner Leber sitzt ne Laus,
deshalb bist du nicht nett.

Zum Essen hab ich viel zu viel
und doch werd ich nicht satt.
Dein ganzes Leben ist ein Spiel,
das keine Regeln hat.

Mein Garten ist ein Fußballfeld,
doch ziemlich wüst und wild.
Du könntest reich sein ohne Geld,
hast du im Kopf ein Bild.

Was soll ich dir, mein lieber Spatz,
vom Weltgescheh’n berichten?
Ein jeder sucht den gold‘nen Schatz,
manchmal auch in Geschichten!

 

Der kleinste Mann der Welt

Ihr Kinder, ihr denkt, all die bunten Sagen
sind wohl nur reinste Erfindung zum Staunen!
Wie richtig die Brüder Grimm aber lagen
mit ihren Fabeln von Riesen, Alraunen,
von Zwergen und Hexen, von Schlössern und Feen,
das hab ich mit eigenen Augen geseh‘n.
Die Märchen sind Wahrheit, Geschichten sind echt.
Es gibt ihn, den Zwerg, der mit Riesen gern zecht!

Das kleine Männchen ist winzig wie Mäuse.
Nachts legt es sich schlafen in Männersandalen.
Getier in den Haaren sind Monsterläuse.
Einkaufen kann es auch ohne zu zahlen.
So süß wie Zucker, so goldig wie Gold
ist dieser Charmeur, alle Frau’n sind ihm hold.
Er raucht gern Zigarren so groß wie ein Stamm.
Ne Stecknadel ist er am Kurfürstendamm.

Der kleinste Mann traf im Fernseh‘n den längsten,
reichte demselben nicht mal an die Waden.
Sie machten Witze, erzählten von Ängsten.
Glaubt mir, dies sind keine Münchhausiaden!
Der Große wollt heiraten, fand keine Frau.
Der Kleine sollt Clown sein, nur war er zu schlau.
Der Große wollt bauen, doch kein Architekt
bekam beim Dach die Statik gecheckt.

Der kleine Mann wär gern Lehrer geworden,
doch Bürokraten erhoben Bedenken.
Der große wurd‘ Priester in einem Orden,
musste im Kirchturm den Kopf sich verrenken.
Nun wurde der Riese des Zwergs bester Freund.
Die Zuschauer ha’m sogar Tränen geweint.
Sie sind beide einzig und wahnsinnig nett
und singen als Stars nun: Duett im Jackett.

 

© Franziska Röchter

 

 

Franziska Röchter kam als Österreicherin im schönen Weserbergland auf die Welt, studierte in Paderborn und England auf Lehramt, arbeitete in der freien Wirtschaft und lebt derzeit in Verl. Sie schreibt seit vielen Jahren Lyrik, Prosa, kulturjournalistische Beiträge für bekannte Blogs, Rezensionen und mehr. Erstmalig trat sie mit 50 als Poetry-Slammerin in Erscheinung. Sie veröffentlicht in bekannten Lyrikorganen sowie eigene Bücher und CDs, organisiert(e) Lesungsveranstaltungen in Gütersloh, Bielefeld, Leipzig u.a. Städten und betreibt seit 2011 den chiliverlag, der mittlerweile eine illustre wie auch prominente Autorenschaft hat.
Anfang 2009 produzierte ein Redakteur für sein damaliges Online-Portal Sennefenster TV Videoclips von Franziska Röchter mit Kindergedichten und musikalischer Begleitung durch ihre beiden Söhne. Auslöser für das vermehrte Schreiben von (Kinder)gedichten waren ihre 3 Kinder, insbesondere ihre Tochter, die als Muse und Testhörerin einen ganz besonderen Spaß an rhythmischen und klangvollen Texten hat. 2016 erschien im chiliverlag die Anthologie „Pappalappa Mirzapan, Gedichte für besondere Kinder“.

 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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