Gedichte für Kinder – Folge 63: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Sigrid Eyb-Green

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Unser Sofa

Unser Sofa,
weich und faul,
ist ein rechtes
Schlemmermaul.

Alles nascht es
mit Genuss:
Leberwurst
und Apfelmus,

Pudding, Socken,
Katzenfutter,
Marmelade,
Knoblauchbutter.

Auch die Pölster
sind verschwunden,
niemand hat sie mehr
gefunden.

Neulich ging es
dann zu weit:
schluckt fast
Tante Adelheid!

Du Ungetüm,
jetzt reicht es mir!
Ab in den Zoo
und fort von hier!

 

Kirschenkuchen im Winter

In jedem Stück vom Kirschenkuchen
schlafen Kirschen süß und zart,
und in jeder dieser Kirschen
schläft ein Kirschkern,
rund und hart.
Ein Sommer ruht in jedem Kern
und ess ich dann ein Kuchenstück,
schlafen tief in meinem Bauch
Kuchen, Kirschen, Sommerglück.

 

Wo ist mein rechter Schuh geblieben?

Linker Schuh – rechter Schuh.
Linker Schuh zum rechten Schuh:
Du,
fad ist mir.
Gehen wir
fort von hier?
Nur ein wenig die Füße vertreten!

Linker Schuh – rechter Schuh.
Rechter Schuh zum linken Schuh:
Du,
ich bleib hier.
Kalt ist mir
vor der Tür!
Viel lieber bleib ich im warmen Zimmer.

Linker Schuh – rechter Schuh.
Linker Schuh: schlüpft aus dem Haus
raus.
Hüpft allein,
einerbein,
Stock und Stein:
Links und hopp, links und hopp, links und hopp davon.

Linker Schuh – rechter Schuh.
Rechter Schuh – kein linker Schuh!
Du,
Linker fort!
Keinerort!
Ohne Wort
ist er auf und davon, der Hallodri!

 

Um Mitternacht

Um Mitternacht
aufgewacht.

In der Ecke, steht da einer,
schief und krumm, ein böser Kleiner?
Schaut mich an und steht ganz still,
weil er mich erschrecken will!

Sieht das rote Licht nicht aus
wie ein Aug‘ der Geistermaus?
Und im Dunkeln steht vor mir
dieses müde Klappertier!

Papa, schnell, ich brauche dich!
Bitte komm, ich fürchte mich!

Um Mitternacht
Licht gemacht.

Dort im Eck der Gummibaum
träumt nur einen Gummitraum.
Rote Augen: nirgendwo,
nur der Knopf vom Radio!
Und das müde Klappertier
ist der Wäscheständer hier.

Schlaf ruhig weiter, Gummibaum,
träum nur deinen Gummitraum.
Danke Papa, gut gemacht,
Geistermäuse, gute Nacht!

 

Wutgedicht

Ich bin nicht nett.
Wünsch dir Brösel ins Bett
Wünsch dir Steinchen im Schuh,
nasse Socken dazu.

Ich bin nicht lieb.
Einen Gummibaumdieb,
ein verstimmtes Klavier
und ein Loch wünsch ich dir.

Ich bin keine Süße!
Von mir keine Grüße.
Lass mich bitte in Ruh,
meine Türe ist zu.
Aber irgendwann
klopf wieder an.

 

Windkind

Deine Schaukel draußen schwingt
auf-ab, auf-ab, auf-ab.
In der Schaukel sitzt kein Kind!
Auf-ab, auf-ab, auf-ab.
Schau, es schaukelt nur der Wind!
Auf-ab, auf-ab, auf-ab.
Ganz allein im Garten sind
deine Schaukel und der Wind.

 

Küchenexperiment

Heidelbeeren,
Goldfischfutter,
Erbsenpudding,
Honigbutter.
Grüner Pfeffer,
Mandarinen,
Nudelsuppe
und Rosinen.
Haferbrei,
ein Ei.

Was backst du nur?
Geheimrezeptur!
Daraus wird – nicht gelogen –
ein Küchenregenbogen,
oder ein Pfefferminzhaus
für die Lebkuchenmaus!

 

© Sigrid Eyb-Green

 

Sigrid Eyb-Green wurde in Wien geboren und lebt auch dort. Sie arbeitet als Restauratorin, veröffentlicht Kurzprosa in Literaturzeitschriften und schreibt bzw. illustriert Kinderbücher. Zuletzt sind zwei Lyrikbände für Kinder erschienen, „Die Sonnenschaukel“ (2016) und „Alles dreht sich, alles fliegt“ (2018). In ihren Gedichten entdeckt sie die Welt mit den Augen eines Kindes wieder neu und schafft einen Raum voller Wunder und Überraschungen. Dabei möchte sie ihre Lust an der Sprache teilen, mit Worten, Rhythmen und Klang spielen und Alltag, Poesie und Unsinn verbinden. Gedichte für Kinder zu schreiben lässt sie das Gewohnte und allzu Vertraute selbst neu entdecken und bedeutet für sie, im Erwachsenenleben voller Routinen und Vernunft immer wieder auf unvorhergesehene Schätze zu stoßen – gut versteckt zwischen verlorenen Schuhen und Kirschkuchen.

 

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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