Gedichte für Kinder – Folge 76: Acht Kindergedichte von Wolfgang Oppler

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Tanz auf der Wiese

Ein Känguru
mit Stöckelschuh
stolziert durch eine Wiese.
Da fragt die Kuh:
»Wer bist denn du?« –
»Man nennt mich Anneliese.«

Und es holt das Grammophon aus seinem Beutel raus,
und dann schwingen sie das Tanzbein hin und her,
und 11 Regenwürmer pflücken einen Veilchenstrauß,
und der Vollmond ruft begeistert: »Ich will mehr!«

Das Känguru
mit Stöckelschuh
spielt eine zarte Weise,
da winkt die Kuh
dem Vollmond zu.
Die Würmer kichern leise.

 

 

Mitternachtstier

Kraxelst du um Mitternacht
auf den Berg, dann gib fein acht,
denn dort haust der Wolpertinger:
Hasenfell und Maulwurffinger,
Entenschnabel, Gamsgeweih,
Flügel wie ein Papagei,
Stachelflossen wie ein Barsch,
Ferkelschwänzchen, und sein Arsch
stammt von einer fetten Kuh.

Lach ihn aus, dann gibt er Ruh.

 

 

Der Turm

Ganz unten steht ein Bügelbrett
(ein rotkariertes wär sehr nett).
Drauf kommt der blaue Gartentisch,
ein Wasserkrug mit einem Fisch.
Auf diesen Krug ein dickes Buch,
ein vollgerotztes Taschentuch,
dem Opa seine Tabakspfeife
und eine glitschig nasse Seife.
Zu all dem passt besonders gut
ein klappriger Zylinderhut,
ein grünlackierter Besenstiel,
ein fast komplettes Kartenspiel.
Gleich stapeln wir noch obendrauf
ein Schießgewehr mit schiefem Lauf,
zwei Pfannen und fünf Erbswurstdosen,
ein Paar gebrauchte Unterhosen,
den Nachttopf und ein Klopapier,
drei Honigsemmeln oder vier,
den Stöpsel von der Badewanne,
die gut gefüllte Kaffeekanne
(es geht auch eine voller Tee).
Der Turm ragt schwindelnd in die Höh.
Als Oberstes ein Küchenseiher,
ein Guglhupf, drei faule Eier.

Jetzt bring das Bügelbrett zu Fall …
welch wunderherrlicher Krawall!.

 

 

Im Sumpf

Dass sieben fette Unken
fidel und freudetrunken
einander untertunken
– erlogen und erstunken!

Und dass sie ungezogen
in hohem Bausch und Bogen
wild auf- und niederwogen
– erstunken und erlogen!

Doch dass sie sich bei Föhn,
trotz Warzen wunderschön,
auf ihren kleinen Zehn
graziös im Kreise drehn
– das hab ich selbst gesehn.

 

 

Alles was ich liebe

Ich liebe meine Schmusemaus,
mein Malbuch und mein Puppenhaus,
mein Zauberpony Adelheid
mein lilanes Prinzessinkleid
mit Glitzer und mit Seidentaft.
Ich liebe Gries mit Himbeersaft,
auch Bärendreck und Erdbeereis.
Dann lieb ich noch das Edelweiß
in Mamis kleinem Kräuterbeet,
den Baum, der vor dem Fenster steht
mit rosaroten Blüten,
in dem die Amseln brüten.
Ich lieb den Kater Leonhard,
den Papi mit dem Kratzebart,
die Mami mit der Pfirsichhaut,
sogar die Tante Edeltraut,
nur wenn die ihren Mund vorschiebt
und mir so nasse Küsschen gibt,
dann ist mir das zuwider.
Ich lieb die frechen Lieder,
die mir mein großer Bruder singt,
wenn er in meinem Bett rumspringt.
Ich lieb es, wenn der Opa lacht
und wenn er Quatsch und Unfug macht.
Ich lieb es, wenn die Sonne scheint,
wenn Großmama vor Lachen weint.

 

 

Das Fest

Eins, zwei, drei: Wen hast du lieb?
Vier: Das Spi-Spaghettisieb.
Fünf: Wann soll die Hochzeit sein?
Sechs: So kurz vor um halb neun.
Sieben: Ich bring Torte mit.
Acht: Dann sind wir schon zu dritt.
Neun: Ich glaub, wir sind viel mehr.
Zehn: Phantastisch, immer her!
Elf, zwölf, dreizehn: Hipp-Hurra,
Bald sind vierzehn Kinder da!

 

 

FC Kribbelkrabbel

Der Grashüpfer bewacht das Tor.
Als Viererkette stehn davor
Hornisse, Zecke, Wanze, Mücke.
Die lassen nicht die kleinste Lücke.
Der freche Floh
ist Libero.
Im Mittelfeld die schnelle
bewegliche Libelle.
Daneben spielt der Weberknecht,
beherrscht den Ball so recht und schlecht.
Ein Holzwurm und zwei Regenwürmer
sind Außen-, Innen-, Mittelstürmer.

Schon tritt der erste Gegner an:
Die Jungs vom FC Größenwahn,
seit 17 Jahrn und 20 Tagen
erfolgsverwöhnt und ungeschlagen.
Das stärkste Team im weiten Land
mit Nilpferd, Nashorn, Elefant,
mit Bison, Krokodil, Giraffe,
mit Löwe, Strauß und Menschenaffe,
mit Tiger und mit Grizzlybär.
Au Weh au Weia, das wird schwer!

Der Schiri sagt “Verehrte Herrn,
zwei Dinge sind noch abzuklärn:
Wo spielt man und mit welchem Ball?
Ein jedes Team trifft eine Wahl!”
Das Nilpferd ruft “Wir wähln als Ort
den Acker hinterm Kinderhort.”
Als Ball wählt Floh ein Pfefferkorn.
8:0 hat Größenwahn verlorn.

 

 

Kindergebetchen

I

Jesuskindlein, sei so nett,
schenk mir doch ein Internet.
Jesuskind, ich bitt ganz schnell
um ein Breitband-DSL.
Ich bin klein, mein Herz ist rein,
willst mein Freund in Facebook sein?

II

Bitte, bitte, lieber Gott,
steh mir bei in meiner Not.
Mach die Vase wieder heil,
die mein Indianerpfeil
grad in hundert Scherben schlug.
Mami nimmt den Drei-Uhr-Zug
und dann setzt es einen Hieb.
Drum gib Gas. Ich hab dich lieb.

 

 

© Wolfgang Oppler

 

 

Wolfgang Oppler wurde 1956 in Rosenheim geboren. Er studierte in München Jura und arbeitete 30 Jahre lang als Jurist. Seit 2013 begeistert er als Stadtführer Menschen aus aller Welt und aus Oberbayern für die Schönheiten der Stadt München. Er lebt heute in Ebersberg, schreibt Gedichte, Sekundengeschichten, Kurzgeschichten, Puppentheaterstücke für Kinder und für Erwachsene in bayerischer Mundart und in Hochdeutsch. Neben drei Lyrikbänden hat er zwei Bücher mit Weihnachtsgeschichten veröffentlicht. Seine Gedichte sind nicht mit der Zielsetzung geschrieben, zur Lyra gesungen zu werden, sondern zur Basstuba. Folglich handelt es sich nicht um Lyrik, sondern um Basstubik. Zum Schreiben von Gedichten für Kinder (und kindlich gebliebene Erwachsene) führte ihn vor allem seine lebenslange Begeisterung für quatschigen Quatsch und bodenlosen Unfug, für anarchischen Blödsinn und absurde Wortspielereien. Er liebt es, wildlieben Einfällen und rübenfrechen Gedanken freien Lauf zu lassen.

 

Uwe-Michael Gutzschhahn
 
 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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