Gedichte für Kinder – Folge 78: Sieben Kindergedichte von Klaus Kordon

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 
 
Sieben Leben
 
Wenn ich sieben Leben hätt,
würd ich sechs verschenken.
Eins für dich.
Eins für dich.
Eins für dich.
Eins für dich.
Eins für dich.
Und eins, ja gerade das,
für dich!
Das siebte aber behielte ich
für mich.
 
 
 
Ich bin ein Wunder
 
Ich bin ein Wunder:
kann gehen
sehen
mich drehen
ganz wie ich will
kann lachen
gar nichts machen
kann denken
schenken
ein Auto lenken
kann träumen
klettern in Bäumen
kann trinken
winken
mich wehren
mit Freunden
verkehren
 
Ich
du
er – sie – es
wir alle
sind Wunder
 
 
 
Mein Teufel
 
Jeder ist sein eigner Teufel.
Meinen kenn ich ganz genau.
Ist nicht so, dass er mein Freund ist.
Dafür bin ich viel zu schlau.
 
Aber manchmal ist er stärker.
Und dann macht er, was er will.
Und ich steh dabei und schäm mich.
Aber leider halt ich still.
 
Doch an ganz besondren Tagen
staunt mein Teufel über mich.
Denn in diesen Glücksmomenten
kriegt er mich nicht unter sich.
 
 
 
Treibjagd
 
Ratte im Keller
wird immer schneller.
Katze hinterdrein
schafft es nur,
Zweite zu sein.
Kommt ein Bär,
stellt sich quer.
 
Ratte foppt,
Katze stoppt,
Bär schnappt Katze
mit dem Maul.
 
Ehrlich miterlebt
im Friaul.
 
 
 
Pimperitzkönchin
 
Auf dem großen weiten Meer
Fährt ein Schiff hin und her.
Wo will’s hin? Wo will’s hin?
Ach, ‘s will nach Pimperitzkönchin.
 
Doch wo liegt dieser Ort?
Liegt nicht hier, liegt nicht dort.
Und so fährt Schiff auf Meer
Immer weiter hin und her.
 
 
 
Einfach alles
 
Ich möcht ein Sack voll Blödsinn sein,
möcht tagelang nur lachen
und kreuz und quer
und vorneweg
und hinterdrein
die tollsten Sprünge machen.
 
Ich möchte ein Baum im Walde sein
und sanft im Wind mich wiegen
und mutig und voll Lust
stets neue Blätter kriegen.
 
Ich möchte einfach alles sein,
möcht stille stehn
und springen.
Und wenn ich einmal traurig bin,
hör ich mich leise singen.
 
 
 
Hörnerküsserei
 
Das Nashorn dort am Fluss
will von der Nashörnin ‘nen Kuss.
Das Küssen fällt so schwer –
zwei Hörner stören sehr.
 
 
© Klaus Kordon
 
 
Klaus Kordon ist in Berlin geboren, in dem Teil der Stadt, der später zu Ost-Berlin wurde. Der Vater fiel im Krieg, die Mutter starb 1956. Kinderheim und Jugendheim folgten. Er versuchte sich in mehreren Berufen, machte Abitur an der Volkshochschule und studierte Volkswirtschaft. 1973, nach einjähriger politischer Haft, wurde er von der Bundesrepublik freigekauft. Sein erstes Buch erschien 1977, seit 1980 ist er freiberuflicher Schriftsteller, hat mehrere namhafte nationale und internationale Auszeichnungen und Preise für seine oft historischen, fast immer realistischen Romane erhalten und wurde in zwanzig Sprachen übersetzt. Lyrik, so sagt er, war ihm schon immer ein geeignetes Ausdrucksmittel, um Gedanken und Gefühle mitzuteilen. Leider jedoch hätten seine oft sehr umfangreichen Erzählungen und Romane seine Kreativität fast ausschließlich in die erzählerische Richtung gelenkt. Was er manchmal ein bisschen bedauert. An der Kinderlyrik reizt ihn die einfache und oft vergnüglich zu lesende Sprache, in der man auch „Geschichten“ erzählen kann.
 
 
Uwe-Michael Gutzschhahn
 
 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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