Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.
Dein Monster
Such dir hier ein Monster aus,
Auf allen Seiten, bis es passt,
Doch schau genau, damit du auch
Ein richtig starkes Monster hast.
Versteck es unter deinem Bett,
Nur kuschle dich nicht mit ihm ein.
Es ist ein Monster, denke dran,
Es kann auch grob sein und gemein.
Doch brauchst du es, schon ist es da
Und niemand wird dich je erschrecken,
Wenn unter deinem Bette gar
Zwei krumme Monsterfüße stecken.
Der Zug der Tiere
Auf der Lok, da hockt ein Bär.
Der Schaffner ist ein Esel.
Ein Nilpferd trampelt laut umher.
Drei Gänse schnattern: „Bitte sehr!
Hier ist noch Platz, doch nur für einen Spatz.“
Der Hund hat sich längst hingesetzt,
Zwei Kühe muhen abgehetzt:
„Wann fährt der Zug, ist er schon voll?
Wer drängelt da wie toll?“
Fünf Affen tuscheln allerhand,
Daneben döst der Elefant.
Die Ziege ruckelt sich noch ein,
Ein Schwein will ins Abteil hinein,
Quiekt heftig, laut und lang.
Der Esel schaut und prüft den Gang.
Die Türen schließen schwer.
„Seid ihr bereit, fehlt irgendwer?“,
Brummt vorne auf der Lok der Bär.
Dann schnauft der Zug, schnauft in die Welt,
Und grunzt und brüllt und muht und bellt.
Halloween
Meine Oma hat heut frei,
Drum näht sie, als wär nichts dabei,
Aus altem Stoff, so eins, zwei, drei,
Die Flügel und noch allerlei
Für eine Monster-Fledermaus
Und dann verlassen wir das Haus.
Bruno strickt
Jeder staunt, dass Bruno strickt.
Strickt und strickt und strickt und strickt.
Warme Socken, rot und schick.
Klick, klick, klick, klick!
Zwei, drei Pudelmützen, zack!
Klack, klack, klack, klack!
Handschuh, mehr als sieben Stück.
Klick, klick, klick, klick!
Fünf Pullover Doppelpack.
Klack, klack, klack, klack!
Noch vier Stiefel für den Hund,
Quer gestreift und kunterbunt.
Klick, klick, klick! Und –
Klack!
Vor dem Start
Ehe die Flugzeuge starten,
hoch in den Himmel hinein,
müssen sie etwas warten,
als wäre der Himmel zu klein.
Zittern dann mit den Flügeln,
brummen und ruckeln herum,
dröhnen mit den Motoren,
sind auf einmal ganz stumm.
Wir aber sitzen im Warmen,
klicken die Gurte ein,
bald werden wir 10 000 Meter
über der Erde sein.
Das Schleimmonster
Schleimgrün schleimt es sich heran,
Glitschig, fies und fett, oh Mann,
Schleimt es um die Straßenecke,
Schlimmer als die Riesenschnecke,
Schleimt es eine Spur aus Schleim,
Niemand tritt da gern hinein.
Manche bleiben sogar stecken,
Müssen sich zum Himmel recken,
Überall nur grüner Schleim,
Denn das Monster ist gemein.
Schleimt sich durch die halbe Stadt,
Schleimt die Ritzen voll und platt,
Schleimt sogar durchs Warenhaus,
Schleimt bald höhnisch wieder raus,
Schleimt sich eine Gruselstrecke,
Schleimt durch alle Stadtverstecke
Und die Leute stehn und schrein,
Das kann nur das Monster sein.
Glitschig, grün und voll gemein,
Liebt es Glibber, Schnodder, Schleim.
© Mustafa Haikal
Mustafa Haikal ist der Sohn eines ägyptischen Rechtsanwalts und einer deutschen Journalistin. Er wuchs in Leipzig auf und studierte Geschichte in Berlin, Leipzig und Moskau. Danach arbeitete er viele Jahre an der Universität Leipzig, noch länger jedoch als freiberuflicher Historiker und Autor. Über sich selbst schreibt er: „Meine literarischen Ideen haben – wie bei den meisten Autoren – mit der Kindheit zu tun, die ich in einem Leipziger Bürgerhaus verbracht habe, das langsam verfiel. Während von unten Feuchtigkeit aufstieg und es von oben hereinregnete, bewohnten wir eine prachtvolle Etage in der Mitte des Hauses, vollgestellt mit Büchern und bevölkert von den seltsamsten Tieren. Da gab es Riesenblindschleichen und Schlangen, Leguane und Warane – allesamt die Lieblinge meiner Mutter. An den Wochenenden aber zogen wir dann auf die Wiesen in der Umgebung der Stadt, um Insekten zu fangen, Tiere, die bis heute durch meine Geschichten und Gedichte schwirren.“ Mustafa Haikal besuchte als Gasthörer das Deutsche Literaturinstitut Leipzig, schrieb über Löwen, Menschenaffen und andere Themen kulturhistorische Sachbücher und veröffentlicht nebenbei auch für Kinder.
Uwe-Michael Gutzschhahn
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.