»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Judith-Katja Raab
Postmodernes Mantra
Mammon unser,
geheiligt werde Dein Wachstum,
Dein Markt komme,
Dein Profit geschehe,
wie in Börsen, so in Zinsen,
unsern täglichen Preis gib uns heute,
und vergib uns unseren Wert,
wie auch wir vergeben unsern Wertlosen,
und führe uns nicht in den Kurssturz,
sondern erlöse uns von den Steuern.
Denn Dein ist der Raub und die Gier
und der Kriegsexport in Ewigkeit. Amen.
© Judith-Katja Raab, Veitshöchheim
+ Das Original
Vaterunser
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
+ Zur Autorin
Judith-Katja Raab wurde 1954 in Paderborn geboren und lebt heute in Veitshöchheim b. Würzburg. Nach zwei Semestern Kunststudium an der SHFBK in Braunschweig Studium der Rechtswissenschaften, Soziologie und Politik in Hannover. Gelegenheitsjobs in wissenschaftlichen Bibliotheken, freie Journalistin bei der Neuen Westfälischen und dem Westfälischen Volksblatt in Paderborn, später Volontariat beim Main-Echo in Aschaffenburg, wo sie dann rund ein Dutzend Jahre als Feuilleton-Redakteurin tätig war. Heute ist sie ausschließlich literarisch unterwegs. Vier Romane, zuletzt »Die graue Zeit der kalten Sophie« und »Wir Zombies vom Fimmelberg«, sowie zwei Lyrikbände, hier zuletzt »Fluchfelder, Fluchtpunkte und die Fliehkraft der Worte« (alle Titel: Monsenstein & Vannerdat, E-Book). Zudem Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien, u. a. Dulzinea und DAS GEDICHT.
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung erstveröffentlichter zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.