Das Unfassbare der Liebe thematisiert Anna Breitenbach in ihrem Gedicht »Das, was es ist«. Ihr Vorbild dabei: Erich Frieds wohl bekanntestes und jedenfalls bis heute ungeheuer populäres Poem »Was es ist«. In jenem definiert Fried – anders als der Titel es vermuten lässt – gerade nicht eindeutig, was Liebe eigentlich ist: Er zeigt ohnehin verschiedene Perspektiven gleichberechtigt nebeneinander auf, etwa jene der Vernunft, der Angst, des Stolzes – und unternimmt auch dies nur, um deren stets so konkrete wie negative Sichtweisen mit einem lakonischen und (un)bestimmten »Es ist was es ist / sagt die Liebe« zu kontern.
Dabei wird auch klar: Was auch immer gegen die Liebe sprechen mag, sie trägt stets die Kraft in sich dazu, sich durchzusetzen. Sie ist nicht fassbar sowie ungeheuer mächtig. Das Rationale von der Emotion grenzt nun auch Breitenbach ab, die Unbestimmtheit des wohl meistbeschworenen, -gefeierten Gefühls betont sie ebenso, und auch in der Wortwahl verweist sie klar auf Fried, beginnend damit, dass ihr Titel den seinen enthält.
Die Szenerie allerdings wandelt sie stark: Was im Vorbild noch abstrakte, zusammengefasste Standortbestimmungen über Triebfederelemente von Menschen sind, das ist im Nachbild eine lebensnahe Szene aus Sicht eines kompletten Menschen. Kurzum, was das weibliche lyrische Ich hier erlebt und empfindet, sein hoffendes Zweifeln, das kennt wohl jedermann. Entsprechend ist die Sprache zwar weiterhin, passend zu Frieds Versen, sehr sachlich gehalten, doch aber auch weitaus weniger durchformalisiert und lexikonhaft, der Textaufbau ist entsprechend weiterhin klar, doch weniger redundant, die Ausgestaltung der Situation im Alltag verankert, dabei aber bewusst allgemein und beispielhaft.
Was jedoch vor allem bleibt: die Unklarheit darüber, was das nun eigentlich ist, die Liebe. Und die Anerkennung der Wichtigkeit dieser Frage, die gar als inhärenter Teil der Liebe selbst erscheint, die wiederum als Sehnsuchtspunkt das Denken des Menschen bestimmt.
Nachlesen und -hören lässt sich das Original, also »Was es ist« von Erich Fried, etwa auf Deutschelyrik.de von Fritz Stavenhagen: https://www.deutschelyrik.de/was-es-ist-1039.html