Im babylonischen Süden der Lyrik – 107: »TALKING ABOUT BANGLA POETRY AT KOLKATA – EIN GEDICHT VON NANDITA SAMANTA (ENGLISCH-BANGLA-DEUTSCH)«

Tobias Burghardt flaniert jeweils am 5. eines Monats auf DAS GEDICHT blog durch die südlichen Gefilde der Weltpoesie. In der Rubrik »Im babylonischen Süden der Lyrik« werden Sprachgemarkungen überschritten und aktuelle Räume der poetischen Peripherien, die innovative Mittelpunkte bilden, vorgestellt.

 

Vom 18. bis 21. November 2024 veranstaltete die Internationale Gesellschaft für Interkulturelle Studien und Forschung (ISISAR) das jährliche Poesie- und Friedensfestival »World Thinkers‘ and Writers‘ Peace Meet« in der Literatur- und Kulturmetropole Kolkata am Ganges, diesmal in Zusammenarbeit mit der innovativen Internationalen Kolkata Stiftung für Kunst, Literatur und Kultur, der Adamas Universität und der Adamas Knowledge City sowie mit der Tagore Universität, der Kolkata Academy of Dance, Drama and Visual Arts und dem Rabindra Bharati Museum am Familiensitz Jorasanko Thakur Bari im Norden der westbengalischen Großstadt, siehe auch »Im babylonischen Süden der Lyrik« Folge 53, Folge 55 und Folge 97.

Das ISISAR-Festivalteam um den Dichter, Übersetzer und Arzt Dr. Sudipto Chatterjee hatte unermüdlich den optimalen Ablauf vorbereitet. Es galt, um die zwanzig Dichterinnen und Dichter aus mehreren Kontinenten mit annähernd neunzig Dichterinnen und Dichtern aus Kolkata und Umgebung zusammenzubringen. Dafür wurden eigens etliche Übersetzungen ins Bangla angefertigt, die zum Teil in Lyrikbänden veröffentlicht und während des Festivals vorgestellt wurden. Ansonsten war Englisch die gängige Sprache der Verständigung aller Teilnehmenden. Nandita Samanta, Dichterin und Übersetzerin aus Kolkata, die zum Festivalteam gehört, konnte wegen ihrer schweren Krankheit selbst nicht teilnehmen, war dennoch stets anwesend, worauf sowohl die Dichterin und Übersetzerin Amanita Sen hinwies als auch der Festivalleiter folgendermaßen aufmerksam machte:

»ISISAR ist eine Plattform, um den kreativen Geist von Autoren und Gelehrten zu erkunden. Wir glauben fest daran, dass ein kreatives Leben immer ein verstärktes Leben ist, ein größeres, glücklicheres und erweitertes Leben. Wir versuchen immer, eine gesunde menschliche Beziehung aufzubauen. Nandita Samanta konnte aufgrund ihrer ernsten Gesundheitsprobleme nicht am jüngsten ISISAR-Festival im November teilnehmen. Aber sie war mit allen Aktivitäten von ISISAR und den Vorbereitungen des Internationalen Festivals tief verbunden. Wir haben sie wahrlich vermisst. Ich habe nun eines ihrer gerade geschriebenen Gedichte übersetzt, nur um ihren kreativen Geist zu berühren und ihre Philosophie der Kreativität zu teilen.« (Dr. Sudipto Chatterjee)

Nachfolgend bringen wir hier jenes englischsprachige Gedicht von Nandita Samanta mit seiner Bangla-Erstübersetzung und danach unserer deutschen Übertragung, jeweils aus ihrem englischen Originaltext.

 

 
Nandita Samanta

QUIETUDE

These days, I don’t go anywhere
except to the river in the evening.
I sit quietly, but the river continues its gurgling conversation.
The trees rustle in the breeze as I tiptoed
Thinking the river, the trees understand me,
I had not comprehended any guilt on my way back for some time.
But, I was taken aback one evening
when I heard the nightingale sing
its sweetest song, its heart against a thorn
In its tears was a colour of joy; I took them as sinful teasers.

But-
Some obvious, many oblivious voices screamed at me.
Decanting the sediments of isolation,
I understood nothing would change in solitud
the more I seek quietness, the more the world
would shriek.

2nd December 2024.

 

 

নন্দিতা সামন্ত

নিস্তব্ধতা

এখন আমি আর কোথাও যাই না
শুধু বিকেলে নদীর ধারে ছাড়া,
আমি শান্ত হয়ে বসি,
নদী কলকল করে কথা বলতে থাকে।
আমি আঙুলে ভর দিয়ে হাঁটলে
শুনতে পাই হওয়ার সঙ্গে
গাছের পাতার মর্মর,
মনে হয় এই নদী, এই গাছ
আমাকে ঠিক বুঝতে পারছে,
এই কিছুদিনের পথ চলার মধ্যে
আমি হয়তো আমার কোনো অপরাধ অনুভব করিনি,
কিন্তু যখন ফিরে যাই অতীত সন্ধ্যায়,
যখন শুনতে পাই
বুক দিয়ে কাঁটায় ভর করে
কোনো পাপিয়া গাইছে
তার মধুরতম গান,
তার চোখে আনন্দের রং,
আমি কুড়িয়ে নিই
সেইসব বহুমূল্য অপরাধ।

কিন্তু কিছু বিস্মৃত তীক্ষ্ণ স্বর
আমার দিকে চিৎকার করে,
মিশিয়ে দেয় আমার একাকীত্বের অধঃক্ষেপ,
আমি বুঝতে পারছি
নির্জনতায় কিছুই বদলায় না,
আমি যতো নীরব হবো
পৃথিবী সোচ্চার হবে আরো।

অনুবাদ – সুদীপ্ত চট্টোপাধ্যায়

Aus dem Englischen ins Bangla übersetzt von Sudipto Chatterjee

 

 
Nandita Samanta

STILLE

Diese Tage gehe ich nirgendhin,
außer zum Fluss am Abend.
Ich sitze ruhig da, aber der Fluss setzt sein glucksendes Gespräch fort.
Die Bäume rascheln in der Brise, während ich auf Zehenspitzen gehe.
Ich denke, der Fluss, die Bäume verstehen mich,
auf meinem Rückweg war ich mir schon seit einiger Zeit keiner Schuld mehr bewusst.
Doch eines Abends wurde ich stutzig,
als ich die Nachtigall singen hörte,
ihr süßestes Lied, ihr Herz gegen einen Dorn.
In ihren Tränen lag eine Farbe der Freude; ich nahm sie als sündhafte Anreize.

Aber
einige offensichtliche, viele vergessene Stimmen schrien mich an.
Die Ablagerungen der Isolation dekantierend,
verstand ich, dass sich in der Einsamkeit nichts ändern würde,
je mehr ich Ruhe suche, desto mehr
kreischte die Welt.

2. Dezember 2024

Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt


© Nandita Samanta

 

 
Im direkten Anschluss an das intensive ISISAR-Festival in Kolkata, bei dem darüber hinaus die aktuellen KATHAK-Literaturpreise 2024 der gleichnamigen Poesie-Initiative um den Dichter und Übersetzer Aminur Rahman aus Dhaka, Bangladesch, feierlich verliehen wurden, reiste eine größere Delegation zum »Byatikram MASDO International Writers Meet 3.0« nach Guwahati, Assam, im Norden Bharats und eine kleinere zu weiteren Lesungen nach Chennai (einst Madras), Tamil Nadu, an der Koromandelküste, wo die Fischer wegen eines aufziehenden Zyklons für ein, zwei Tage am Ufer ausharrten und mitunter ihre Netze nachbesserten oder Karten spielten, siehe auch »Im babylonischen Süden der Lyrik«, Folge 99.

Gute Besserung, liebe Nandita Samanta! Demnächst begegnen wir uns wieder und reden weiter. Die Gesundheit geht vor; eitel ist alles andere: – Rauch – Schall.

 
© Tobias Burghardt

 

Tobias Burghardt. Foto: privat
Tobias Burghardt. Foto: privat

Tobias Burghardt (Jahrgang 1961) ist Lyriker, Essayist, Übersetzer und Verleger der Stuttgarter Edition Delta (www.edition-delta.de). Er veröffentlichte den Essayband »Ein Netz aus Blicken. Essays für lateinamerikanische Lyrik« und mehrere Lyrikbände, darunter seine Fluss-Trilogie sowie »Septembererde & August-Alphabet«. Zuletzt erschien seine Werkauswahl »Mitlesebuch 117« (Aphaia Verlag, Berlin/München 2018), sein aktueller Gedichtband »Die Elemente der See« und die umfangreiche Werkauswahl 19912021 »Das Gedächtnis des Wassers«.  2020 erhielt er den Internationalen Poesiepreis »Città del Galateo – Antonio de Ferrariis« in Rom, Italien. Seine Gedichte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und Einzeltitel erschienen in Argentinien, Indien, im Irak, in Japan, Kolumbien, Portugal, Serbien, Schweden, Uruguay und Venezuela. Er ist Mitbegründer und Koordinator des »Babylon Festivals für Internationale Kulturen & Künste«, das seit 2012 jährlich in Babylon und Bagdad stattfindet. Mit seiner Frau Juana Burghardt überträgt er lateinamerikanische Lyrik, katalanische Poesie, lusophone Lyrik und spanische Poesie. Sie sind Herausgeber und Übersetzer der Werkreihe von Miquel Martí i Pol, aus der Pep Guardiola im Sommer 2015 im Literaturhaus München las, und seit Herbst 2014 der Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe, dem wir das GEDICHT-Motto »Ein Gedicht rettet einen Tag« (Roberto Juarroz) verdanken. Im Frühjahr 2017 wurden beide für ihr jeweiliges poetisches Werk und ihr gemeinsames literarisches Engagement zwischen den Kulturen und Sprachen mit dem »Internationalen KATHAK-Literaturpreis« in der südasiatischen Metropole Dhaka, Bangladesch, und als Verlagsteam der Edition Delta mit dem »Deutschen Verlagspreis 2021« und dem »Deutschen Verlagspreis 2024« des Kulturstaatsministeriums, Berlin, ausgezeichnet. Tobias Burghardt war GEDICHT-Redakteur der ersten Stunde und organisierte immer wieder wunderbare Sonderteile mit lateinamerikanischer Poesie für unsere Zeitschrift DAS GEDICHT.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Im babylonischen Süden der Lyrik« finden Sie hier.


 

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